Carlito von RAW zu SmackDown!: Vor drei Jahren kam Carlito von SmackDown! zu RAW und schien auf dem Sprung zum Topstar zu sein. Nun kehrt er unverrichteter Dinge dorthin zurück, wo er herkam. Um die Deutung, woran das lag, herrscht unter den Internetfans ein regelrechter Glaubenskrieg: Die einen finden, Booking-Versagen und Backstagepolitik haben Carlito unten gehalten, die anderen ausschließlich er selbst. Meine Meinung: Carlito hat alle Anlagen zu einem Topstar. Dass er es noch nicht ist, mag anfangs an unglücklichem Booking gelegen haben, dafür dass er partout nicht wieder zurück aufs Gleis kommt, sorgte er aber selbst. Carlitos gesammelte öffentliche Lamentos über seinen Arbeitgeber zeigen, dass er nicht versteht, warum die WWE ihm keinen großen Push verpasst, dabei ist die Erklärung ganz einfach: Carlito ist in einer Liga mit begrenzten Spitzenplätzen nicht der einzige potenzielle Star im WWE-Kader und andere ähnlich talentierte Wrestler sind nicht so gut darin, ihre eigene Karriere mit öffentlichen Affronts gegen ihren Arbeitgeber auszubremsen.
Mittlerweile ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf daraus geworden: Carlito beschwert sich, die WWE straft ihn mit Nicht-Push, Carlito hat mehr Grund sich zu beschweren, tut es wieder, die WWE straft ihn wieder ab usw. Dieser Kreislauf hat inzwischen auch dazu geführt, dass Carlito durch viele Niederlagen und Gimmick-Stagnation merklich an Faszination verloren hat. Und diesen Kreislauf kann Carlito nur durchbrechen, wenn er lernt, mal die Klappe zu halten, wenn es eine Weile nicht nach seinem Gusto läuft. Lernt er das nicht, wird seine Karriere nicht vorankommen - egal in welchem Roster.
Kofi Kingston von ECW zu RAW: Ich muss ehrlich gestehen, dass ich anfangs gedacht habe, dass Kofi im Hauptroster gnadenlos durchfallen würde. Zu altbacken wirkte mir sein Gimmick als grinsender Ausländer, es erinnert mich immer noch stark an den frühen und langweiligen
Rocky Maivia. Dass das Publikum nach einem halben Jahr nicht „Die, Kofi, die!“ ruft liegt daran, dass der Ghanaer im Ring Dinge zeigt, die selbst spektakelverwöhnten Indy-Fans noch ein Staunen entlocken können. Noch aber bin ich mir nicht sicher, was mit Kofi passieren sind, wenn die Fans sich an seine Aktionen gewöhnt haben. Einen zweiten Rock haben seine bisherigen Ausflüge ans Mikrofon jedenfalls nicht offenbart. Trotzdem: Potenzial ist da und daher ist sein Wechsel in ein wichtigeres Roster folgerichtig, wenn auch vielleicht etwas früh. Kofi ist aber auch jetzt schon ein Kandidat, um die chronisch darbende Intercontinental-Title-Szene bei RAW zu beleben. Eine Upset gegen
Chris Jericho könnte ihm ein ähnliches Momentum verleihen wie Shelton Benjamins Überraschungssieg gegen Triple H vor drei Jahren.
Shelton Benjamin von ECW zu SmackDown!: Shelton ist so ein Kandidat, der von Fans und Experten immer genannt wird, wenn es um die Frage geht, wer mal den großen Push verdient. Das Problem ist: So etwas sagt sich schnell dahin, die konkrete Ausgestaltung ist eine andere Sache, mit der sich Fans und Experten ja nicht befassen müssen. Ich glaube, dass es für Shelton schwierig bei SmackDown! wird, einfach weil dort nach dem Draft so viele Wrestler der Kategorie aufstrebende Mid- und Uppercarder versammelt sind:
Jeff Hardy,
Mr. Kennedy,
Montel Vontavious Porter,
John Morrison - offiziell bei ECW, aber als Tag Champ ja de facto bei SD -,
Umaga,
Carlito - Shelton droht da für mich unterzugehen. Er droht für mich immer mehr als ein zweiter
D-Lo Brown in die Geschichte einzugehen, der zwar irgendwie alles hat, aber irgendwie doch wieder nicht genug.
Mark Henry von SmackDown! zur ECW: Henrys Draft in ein anderes Roster war zwingend, nach dem, was mit SmackDown!-Headwriter
Michael Hayes passiert ist. Bei der ECW ist Henry zwar etwas aus dem Spotlight, ein Platz am oberen Ende der Card sollte ihm dort aber allein schon mangels Konkurrenz sicher sein - was ja bei SmackDown! zuletzt nicht mehr so der Fall war. Ob er auch Champion wird, ist aber fraglich, zumal die WWE das auch Big Daddy V vorenthalten hat. Sie weiß schon besser als viele Fans denken, dass es seine Nachteile hat, wrestlerisch limitierte Kolosse in den unumschränkten Mittelpunkt einer Show zu rücken.
Big Daddy V von ECW zu SmackDown!: Vor einem Jahr hat die Nachricht, dass der ehemalige Viscera nach seinem Draft zur ECW einen Riesenpush und eine Fehde gegen den
Undertaker erhalten sollte, viele Fans erschreckt. Ein Jahr später ist festzuhalten, dass eben längst nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wird. In der Fehde gegen den Undertaker, die kaum eine war, hat BDV klar den Kürzeren gezogen und die neue Glaubwürdigkeit, die ihm sein Charakterwandel aus dem Vorjahr brachte, ist längst schon wieder dahin. Daher muss man sich fragen, was die WWE mit BDV jetzt noch groß anstellen will. Sie kann es durchaus wieder mit einem Push versuchen - aber das Ergebnis dürfte dasselbe wie bei allen bisherigen Anläufen. BDV bleibt wohl auf die Rolle des Freaks vom Dienst abonniert, der herhalten muss, wenn ein Babyface mal wieder einen Riesen schlachten muss.
DH Smith von RAW zu SmackDown!: Die vergangenen acht Monate nach seinem WWE-Debüt sollte der Sohn des British Bulldog wirklich nur noch abhaken und schnell vergessen. Bei SmackDown! bietet sich nun die Chance auf einen Neuanfang. Aber DH und seine Fans sollten sich nichts vormachen: Vor ihm liegt ein langer und steiniger Weg. Denn auch wenn sein Stammbaum für bestes wrestlerisches Handwerk bürgt, ist er momentan von all den Second- und Third-Generation-Wrestlern derjenige, den ich am wenigsten den Durchbruch zutraue. DH’s Mangel an Ausstrahlung ist einfach eklatant und letztlich ist das der Punkt, mit dem fast jede WWE-Karriere steht und fällt. Andererseits gab es gerade in der Hart-Familie mit Bret und Owen anschauliche Beispiele für Leute, die im Lauf ihrer Karriere Quantensprünge in dieser Hinsicht hingelegt haben. Aber momentan sehe ich Smith noch weit davon entfernt, als Einzelwrestler groß angreifen zu können. Momentan halte ich es für das beste, Smiths alten Partner
TJ Wilson ins Hauptroster zu holen und den Canadian Bulldogs eine Chance als Tag Team zu geben. Eine Fehde mit John Morrison und The Miz wäre reizvoll, weil sich in der Paarung die Schwächen der jeweiligen Teams neutralisieren würden und beide voneinander lernen könnten.
Trevor Murdoch von RAW zu SmackDown!: Diesen Wechsel verfolge ich mit Interesse, denn ich halte Murdoch für einen extrem unterbewerteten Wrestler, aus dem viel mehr werden könnte, als er jetzt ist, wenn man ihm mal etwas Entfaltungsfreiraum gibt. Dass die WWE in seinem Ex-Partner Lance Cade mehr sieht, hat mich überrascht, denn auch wenn ich Cade ebenfalls mag, ist er doch der unscheinbarere der beiden gewesen. Murdoch ist dagegen ein Typ, der eigentlich alles hat: Ausstrahlung, Redetalent, wrestlerisches Können und den ausgefallenen Look, der aber eben Fluch und Segen zugleich ist: Denn er sticht damit zwar aus der Masse heraus, gerät damit aber auch schnell in eine Schublade. Ich würde es Murdoch von Herzen gönnen, wenn er bei SmackDown! aus dieser Schublade ausbrechen und ein Wort um den US Title mitreden kann.
Brian Kendrick von RAW zu SmackDown! Die Sätze "Wie kann man dieses Team nur trennen?" und "Die Tag Team Szene kann man einmotten!" wird man nach diesem Draft auf den Foren oft zu lesen bekommen. Aber betrachten wir es nüchtern: Das Team mit
Paul London hat in der WWE seine Schuldigkeit getan. Nach fast drei Jahren sind einfach irgendwann die Verwendungsmöglichkeiten für ein Gespann ausgereizt und es ist Zeit sich neu zu orientieren. Ob die beiden auf sich gestellt weit kommen, ist aber höchst fraglich. Leichtgewichte haben es - ob man das jetzt gut findet oder nicht - in der WWE schwer und auch wenn London und Kendrick gute Cruiserweights sind, haben sie nicht den Starfaktor eines Rey Mysterio oder Jeff Hardy, der die Liga bewegen könnte, mal etwas Größeres mit ihnen zu versuchen. Die bessere Chance, sich zu etablieren hat Kendrick als derjenige, der den bodenständigeren WWE-Stil eher verinnerlicht hat - während London immer irgendwie ein gefühlter ROHler geblieben ist, der sich in der Haut, die er sich in der WWE überstreifen musste, nicht wohl zu fühlen scheint. Trotzdem sollte man nicht der Hoffnung erliegen, dass jetzt einer der beiden auf den Spuren eines Bret Hart, Shawn Michaels oder Edge wandeln wird.
Chuck Palumbo von SmackDown! zu RAW: Als die WWE Chuck vergangenes Jahr verpflichtet hat, haben sich viele gefragt: Warum eigentlich? Aber Palumbo hat seine Wiedereinstellung gerechtfertigt: Durch seine Abstecher nach Japan und Mexiko ist der ehemalige Natural Born Thriller wrestlerisch gereift und ist zu einem richtig guten und glaubwürdigen Powerhouse-Brawler geworden. Das Problem, dass er den meisten Fans immer noch egal ist, ist ihm aber geblieben. Und das gewisse Etwas, das diesen Zustand beheben könnte, kann man leider auch in Japan und Mexiko nicht lernen. Palumbos Aufstiegsmöglichkeiten bei RAW sind daher begrenzt, als fähiger Ergänzungsspieler kann er für das Roster dennoch einen gewissen Wert erlangen.
Finlay und Hornswoggle von SmackDown! zur ECW: Finlay zur ECW zu stecken ist definitiv eine sinnvolle Wahl, denn die ECW ist das Roster der Talente und für die Talente gibt es keinen besseren Ringpartner als Finlay. Dass Hornswoggle mit ihm geht, anstatt zu verschwinden wird bei einigen für Stöhnen sorgen. Aber Hornswoggle ist jemand, den sich die WWE auf jeden Fall warm halten muss, weil er die kindliche Zielgruppe bedient, die für die WWE immer wichtiger wird - und generell beim zahlenden Publikum in den Hallen auch besser ankommt, als es im Internet den Eindruck macht. Die WWE sollte sich nur überlegen, ob sie mit dem Push von Hornswoggle als Wrestler nicht mehr Schaden anrichten, als es Nutzen bringen kann.
Jamie Noble von SmackDown! zu RAW: Vorab: Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dass aus Noble ein Star in der WWE werden muss, weil er mal ROH World Champion war. Man muss verstehen, dass das zwei sehr unterschiedliche paar Schuhe sind. Trotzdem kann die WWE aus Noble weit mehr machen, als sie es momentan tut - vor allem, weil Noble ja nicht nur ein guter Wrestler ist, sondern auch sehr unterhaltsam sein kann. Bei SmackDown! bewies er es in den Angles mit Hornswoggle, Vickie Guerrero und Chuck Palumbo. Er war dabei zu einer Art Santino Marella von SmackDown! zu werden, als ihn sein Babyface-Turn aus der Nische beförderte, die er gerade für sich gefunden hatte und es wieder still um ihn wurde. Bleibt zu hoffen, dass er bei RAW wieder an bessere Zeiten anknüpfen kann.
Super Crazy von RAW zur ECW: Der "Insane Luchador" zurück an alter Wirkungsstätte - wenn man so will. Ist das jetzt die Gelegenheit neu durchzustarten, nachdem er bei RAW zum Edeljobber verkommen war? Wohl kaum. Super Crazy mag wegen einer ECW-Vergangenheit einen guten Ruf genießen, aber das, was er in der Original-ECW mal war, kann er in der WWE nicht werden. Das liegt nicht nur daran, dass sein Stil in der WWE weniger gefragt ist, es liegt auch daran, dass Crazy älter, schwerer und weniger aufregend geworden ist - ganz davon abgesehen, dass sich bei den Versuchen, Crazy bei RAW zum Comedy-Charakter zu machen, Abgründe aufgetan haben. Mehr als den Edeljobber wird er auch dienstags kaum mimen können.
Deuce von SmackDown! zu RAW: Ich werde wohl wenige mit der Einschätzung überraschen, dass es Deuce bei RAW schwer haben wird. Im Tag Team mit
Domino gab er ein nettes Gespann ab, aber ob er auf eigenen Beinen stehen kann, ist zu bezweifeln. Wrestlerisch ist er zwar etwas besser als sein Partner, aber den Eindruck, ein aufgehender Stern am Wrestlinghimmel zu sein, hat er nicht hinterlassen. Zu durchschnittlich wirkt er in jeder Hinsicht. Bedenkt man, dass er auch schon weit über 30 ist, scheint auch nicht mehr übermäßig Entwicklungspotenzial da zu sein. Ohne einen Gimmickwechsel ist für Deuce bei RAW eher nichts zu holen. Die Frage ist aber, ob das Kreativteam viel Zeit in Gedanken über einen Charakterwandel investieren wird. Ähnlich schwer wird es für Domino bei SmackDown!, wobei ich diesem als dem auffälligeren Charakter noch eher etwas zutraue.
Matt Striker von ECW zu RAW: Schwer zu sagen, was RAW für den Ex-Lehrer bereithält: Wird er wieder den Prügelknaben in der Undercard geben oder nutzt man sein Redetalent, um ihn noch einmal als Manager mit neuem Schützling einzusetzen? Er könnte theoretisch auch in die vakant gewordene Rolle von
Jonathan Coachman als schmieriger Handlanger der Mächtigen schlüpfen. Er könnte aber auch in ein paar Wochen gefeuert werden, weil die WWE zum Schluss kommt, dass sie mit ihm alles gemacht hat, was man machen kann. Bei Striker ist alles drin.
Maria von RAW zu SmackDown!: Es ist ein Wechsel, bei dem man sich definitiv etwas gedacht hat, denn SmackDown! ist auf der Babyface-Diven-Seite mit der drögen
Michelle McCool und
Cherry nicht ausreichend besetzt. Und Marias Präsenz bei RAW fehlte seit der Trennung von
Santino Marella der tiefere Sinn, so dass der Wechsel beiden Seiten etwas bringen kann. Das Problem ist aber, dass SmackDown! dringend eine ausgebildete Wrestlerin auf der Babyface-Seite brauchen würde, denn so sehr sich Maria müht, ihre Talente liegen eher außerhalb des Rings.
Layla von ECW zu RAW: Logischer Schritt, denn 500 Mal kann man die gute auch nicht gegen
Kelly Kelly stellen. Bei RAW wird sie aber schwer haben, weil sie dort mit ernst zu nehmenden Wrestlerinnen wie
Beth Phoenix und
Katie Lea konkurrieren muss. Ob da viel Raum für Layla außerhalb von Bikini-Contests und Multi-Woman-Matches bleibt, ist eher fraglich.
Fazit: Das Wort Ergänzungsdraft ist diesmal etwas niedrig gegriffen, denn der Zusatzdraft hat die Roster noch einmal gehörig durcheinander gewirbelt, so dass jetzt kaum noch ein Stein auf dem anderen steht. Was nun nach dem kompletten Draft noch deutlicher auffällt: Bei SmackDown! herrscht nun eine immense Dichte an aufstrebenden Mid- und Uppercardern - eine so große, dass am Ende zwangsläufig nicht jeder den großen Sprung machen kann. Bei RAW dagegen gibt es fast nur noch etablierte Stars oder Leute, bei denen klar ist, dass sie es nie werden. Ausnahmen sind Punk, Kingston, Cade, vielleicht
Paul Burchill. RAW wird so weiter stark auf den Faktor Starpower setzen und es wird interessant zu sehen sein, welche Wrestler sich unterhalb der Topcard in Szene setzen können.
Eine Reaktion, die man nach dem Ergänzungsdraft oft las, ist dass die ECW der große Verlierer ist und man sie nun eigentlich einmotten kann. Das ist Käse und zeugt von Unverständnis dafür, in welche Richtung sich die ECW entwickelt hat: Dass sie nicht auf einem Level mit den anderen beiden Shows steht, sollte doch inzwischen jedem klar sein. Als Talent-Testlabor ohne echte Topstars hat die Show aber eine sinnvolle Nische gefunden. Und von der Warte aus betrachtet, hat die ECW mit Teamplayern wie Hardy und Finlay, die ihre Erfahrung an Youngster wie
Evan Bourne,
Colin Delaney und
Mike Knox weitergeben können, durchaus die richtigen Verstärkungen bekommen. Und Ersatz für die „Aufsteiger“ wie Punk, Kingston und Benjamin muss nun eben aus den Farmligen kommen. Allzu lange nämlich darf man als Talent nämlich auch nicht in der ECW verharren, ohne dass man Schaden nimmt.