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Wie Deutschlands bester Boxer Wrestler wurde

Biografie

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Published on:
18.10.2014, 22:40 
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Vor wenigen Wochen sorgte Tim Wiese für großes Aufsehen in der Wrestling-Welt. Denn der ehemalige Fußball-Nationaltorhüter erzählte, dass ihm ein Angebot vom Marktführer WWE vorliegt. Dabei ist er jedoch längst nicht der erste deutsche Profi-Sportler, der vor einem Wechsel zum Wrestling steht. Denn schon 1952 gab es einen ähnlichen Fall. Profi-Boxer Conny Rux, der damals von sämtlichen Experten als Max Schmelings Nachfolger angesehen wurde, erklärte als amtierender Europameister und Nummer vier der Weltrangliste seinen Wechsel zu den von den Boxern eigentlich verachteten Catchern, wie die Wrestler in Deutschland früher genannt wurden. Über Rux wurde damals regelmäßig in Zeitungen, Nachrichtenmagazinen wie dem Spiegel oder auch den 15-minütigen Wochenschauen im Kino, den Vorgängern der Tagesschau, als es noch nur wenige Fernseher gab, berichtet. Im Gegensatz zu Wiese, dessen Karriere als Fußballer vorbei sein dürfte, befand sich Rux noch in der eigentlichen Blüte seiner Box-Karriere.

Man stelle sich vor, Vitali Klitschko oder sein Bruder Wladimir hätten, kurz nachdem sie 1998 bzw. 1999 den Europameistertitel gewannen und auf dem Weg zum Weltklasseboxer waren, ihr Karriereende als Boxer bekannt gegeben und wären stattdessen als Wrestler zwischen die Ringseile gestiegen. Oder der große Max Schmeling hätte dies 1927 getan, als er Europameister wurde. Doch 25 Jahre nachdem Schmeling seinen ersten kontinentalen Titel gewinnen konnte geschah genau dies. Auch wenn es damals niemand für möglich gehalten hätte.

Der Nachfolger Max Schmelings

Konrad – genannt Conny – Rux wurde 1926 in Berlin geboren. Während des zweiten Weltkriegs begann er mit dem Boxtraining und kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs gab er sein Debüt als Berufsboxer. Schnell wurde er zum Publikumsliebling in seiner Heimatstadt. Zu seinen Kämpfen kamen teilweise über 30.000 Zuschauer. Bereits im zweiten Jahr seiner Profikarriere verschaffte ihm sein Manager den ersten Kampf um die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht.

Der Kampf endete unentschieden, wie auch der Rückkampf ein Jahr später. Im dritten Kampf wurde Rux disqualifiziert. Im vierten Kampf, Ende 1949, gelang ihm schließlich doch noch der Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Er zerstörte seinen Gegner regelrecht. Anschließend begann er immer mehr gegen ausländische Boxer anzutreten. Unter anderem gelang es ihm, vor den Augen von Ringrichter Max Schmeling, Lloyd Marshall, der zuvor neun Weltmeister besiegt hatte, in der zweiten Runde durch technisches KO zu schlagen. Dieser Kampf sorgte mit über 35.000 Zuschauern für einen neuen Rekord in der Berliner Waldbühne. Durch diesen Sieg stieg Rux auf Rang vier der Weltrangliste und Fachzeitschriften aus New York und London bezeichneten ihn als nächsten deutschen Weltklasse-Boxer.

Nicht nur sportlich lief alles bestens für Rux, sondern auch privat. Kurz vor dem Kampf gegen Marshall hatte er die Schauspielerin Ada Tschechowa geheiratet, die gerade frisch zum zweiten Mal geschieden war. Die Öffentlichkeit war jedoch wenig begeistert vom privaten Glück des Deutschen Meisters. In den Zeitungen wurde negativ über die beiden berichtet und Rux mit dem US-amerikanischen Boxer Jack Dempsey verglichen, der nach seiner Heirat mit Schauspielerin Estelle Taylor nicht mehr an seine vorherigen Erfolge anknüpfen konnte. Dass auch Max Schmeling glücklich mit einer Schauspielerin verheiratet war, wurde einfach ignoriert.

"Ich boxe nie mehr und werde Catcher"

Zwar war es zu erwarten, dass es für großes Aufsehen sorgen würde, wenn ein junges Sportidol aus einfacher Herkunft eine ältere Frau heiratet. Doch mit dem was folgte hatte wohl niemand gerechnet. Der erste Kampf nach der Hochzeit und gleichzeitig auch sein erster Schwergewichts-Kampf war gegen den deutlich kräftigeren und schwereren Gene "Tiger" Jones. Dieser galt in den USA als zu gefährlich und knockte in Deutschland jeden Gegner aus. Auch Rux verlor gegen ihn. Die Niederlage wurde selbstverständlich seiner neuen Frau angerechnet. Als sie nach dem Kampf rohes Fleisch bei einem Metzger kaufen wollte, was zur Behandlung von starken Schwellungen im Gesicht genutzt wurde, bewarf man sie sogar mit Steinen.

Mittlerweile hatte Rux immer weniger Lust auf das Boxen, doch da er eine Familie zu ernähren hatte -- mittlerweile war auch Sohn Michael geboren -- musste er Geld verdienen. Der nächste Schritt war klar: die Europameisterschaft. Trotz keiner guten Vorbereitung, da er mittlerweile mit seiner Familie in Berchtesgaden lebte, gelang es Rux im Juli 1952 den Titel zu gewinnen. Nur anderthalb Monate später bestritt er seinen nächsten Kampf. Der Titel stand allerdings nicht auf dem Spiel. Als Rux sich auf den Weg zum Ring machte, applaudierte nicht ein Zuschauer dem ehemaligen Publikumsliebling. Sein Gegner zerstörte ihn in drei Runden und gewann durch TKO. Nach diesem Kampf hatte Rux endgültig genug und verkündete als amtierender Europameister: "Ich boxe nie mehr und werde Catcher!"

Rux war zwar nicht der erste Boxer, der diesen Schritt wagte, doch der erste, der dies auf dem Höhepunkt seiner Karriere tat und nicht seine Lizenz als Boxer verloren hatte. Es entstand daraufhin eine regelrechte Hetzkampagne in den Zeitungen gegen Rux, wogegen die Artikel über die Hochzeit wie das reinste Loblied erschienen. Plötzlich wurde von dem vielen Geld berichtet, das er noch hätte verdienen können, während vor seinem Wechsel noch das Gegenteil geschrieben wurde.

Der Wechsel schlug jedoch noch viel größere Wellen. Sein ehemaliger Manager, mit dem er sich bereits einige Zeit zuvor zerstritten hatte, verklagte ihn wegen Vertragsbruchs. Die Gründe erklärte Rux' Frau Ada in einem Artikel in einer Illustrierten, was zu einem weiteren Skandal führte. Sie schrieb, dass vor mehreren Kämpfen ihres Mannes die Ergebnisse von den Managern vereinbart wurden. Da sich sein letzter Gegner nicht an die Absprache hielt, sei ihr Mann ausgeknockt worden. Auch der Verdienst als Boxer sei einfach nicht ausreichend gewesen; von 100 DM Verdienst blieben am Ende noch 18 Mark für Rux übrig, während sein Manager deutlich mehr erhielt. Beim Catchen sollte er nun eine Jahresgage von 60.000 DM erhalten, wovon er nichts abgeben musste.

Auch beim Catchen wird Rux nicht glücklich

Nur 41 Tage nach seinem letzten Boxkampf stand Rux wieder im Ring. Jetzt jedoch als Catcher. Während beim Einlauf zu seinem letzten Boxkampf Stille herrschte, wurde Rux nun im ausverkauften Zirkus Krone in München, wo regelmäßig Catch-Veranstaltungen stattfanden, von über 2.000 Fans ausgepfiffen. Im Kampf zeigte Rux so gut wie keine Ringer-Aktionen, sondern versuchte sich mit Schlägen zur Wehr zu setzen. Sein Gegner führte ihn regelrecht vor. Dem Publikum gefiel dies selbstverständlich, während die Veranstalter alles andere als begeistert waren. Am Ende siegte natürlich trotzdem Rux: Er schlug seinen Gegner KO. Man konnte ihm jedoch ansehen, dass er sich nicht wie der Sieger fühlte. Auch für die Zuschauer war er nicht der wahre Sieger und wurde erneut ausgepfiffen.

Es wurde nicht besser für den ehemaligen Box-Europameister. Zwei Wochen später, als er einen Kampf durch Disqualifikation nach mehreren Tiefschlägen gewann, hatten die Zuschauer endgültig genug. Sie pfiffen nicht nur, sondern brüllten laut "Schiebung!" Von mehreren Zeitungen wurde dies bereits als Ende der Catcher-Karriere von Rux bezeichnet. Doch der ehemalige Box-Europameister machte weiter und gewann weiterhin den Großteil seiner Kämpfe. Niederlagen gab es meist nur durch Disqualifikation.

Nach zwei Monaten war dann der große Bayernpreis, wie das Turnier im Zirkus Krone hieß, vorüber. Rux beendete es auf dem vierten Platz. In den zwei Monaten hatte er nur einen Tag Pause und bestritt mehr Kämpfe als in seinen letzten Jahren als Boxer zusammen. Ähnlich stressig ging es weiter, nach nur einem Tag Pause stand ein einmonatiges Turnier in Stuttgart an. Ab Ende Februar 1953 standen weitere Turniere in München, Hannover und seiner Heimatstadt Berlin an. Beim Turnier in Hannover gelang ihm mit dem Turniersieg der größte Erfolg seiner Catcher-Karriere. Trotzdem waren das Leben als Catcher und der Sport an sich einfach nichts für den Berliner, aufgrund seiner mangelnden Fähigkeiten als Catcher ließen ihn die Veranstalter teilweise sogar Boxkämpfe bestreiten.

Im Juni 1953 wurde der Schadensersatzprozess gegen seinen ehemaligen Box-Manager mit einem Vergleich abgeschlossen. Rux musste 12.500 DM zahlen und Conny und seine Frau nahmen die Vorwürfe der Schiebung zurück. Zu diesem Zeitpunkt ging auch seine Karriere als Catcher immer mehr dem Ende entgegen. In der Zwischenzeit hatte er begonnen, mit dem als Catcher verdienten Geld Spielautomaten zu kaufen und diese aufzustellen. Er widmete diesen sogar mehr Aufmerksamkeit als dem Catchen, weshalb die Catch-Promoter seinen Vertrag nicht verlängerten. Nach nicht einmal einem Jahr nahm somit seine Karriere als Catcher ein Ende.

Scheidung, Afghanistan und Rauschgift

Nach dem Ende seiner Catcher-Karriere versuchte er zum Boxen zurückzukehren, doch dies zerschlug sich. Er verdiente sein Geld weiterhin mit Spielautomaten und strebte nachdem er sich seine Nase operativ richten lassen hatte eine Karriere als Schlagersänger und später als Schauspieler an, beides jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Auch im privaten Leben lief es nicht besser. Nach sechs Jahren Ehe ließ sich seine Frau scheiden und ihr wurde sowohl der gemeinsame Sohn, der seinen Vater daraufhin jahrelang nicht sah, sowie das gesamte Vermögen zugesprochen. Rux war nun angeblich "bettelarm".

Zu diesem Zeitpunkt soll er wieder Angebote von mehreren Box-Managern bekommen haben, doch sehr überraschend entschied er sich für ein Angebot aus dem fernen Afghanistan. Dort sollte er als Boxtrainer zwei Jahre lang für 1.000 DM monatlich sein Geld verdienen sowie einen eigenen Kammerdiener und Dolmetscher erhalten. Doch die Gegebenheiten dort waren alles andere als gut und Rux fühlte sich sehr unwohl. Nachdem er auch noch herausfand, dass sein Vorgänger mit einem Messer im Rücken aufgefunden wurde, entschloss sich Rux nach etwas mehr als einem Jahr wieder in die Heimat zurückzukehren.

Kurze Zeit später heiratete Rux zum zweiten Mal, doch die Negativschlagzeilen rissen nicht ab. So wurde er einige Jahre nach seinem Afghanistan-Aufenthalt wegen vermutetem Opium-Handel verhaftet. 1,7 kg Roh-Opium hatte er von einem Bekannten aus seiner Zeit dort erhalten, nachdem er diesen bei sich wohnen hatte lassen. Rux gestand, dass er es verkaufen wollte.

Abgesehen von vielen weiteren Gerüchten zu einem Comeback als Boxer, aber auch als Catcher, wurde es in den folgenden Jahren ruhig um den ehemaligen Europameister. Viele Jahre arbeitete er als Repräsentant einer Mineralölfirma. Nicht nur das Leben, sondern auch die Zuschauer, meinten es mittlerweile wieder gut mit Rux. Als er 1990 im Rahmen eines Amateurkampfes in den Boxring zurückkehrte wurde er frenetisch vom Berliner Publikum bejubelt.

Im Alter von 69 Jahren starb Rux 1995 an einer Lungenembolie. Während Max Schmeling noch heute ein Begriff für viele ist, die sich auch nur am Rande für Boxen interessieren, so ist Conny Rux nur noch für Boxexperten oder eben die wenigen Menschen, die bereits zu seiner Hochzeit als Boxer gelebt haben, ein Begriff.