Was gibt es Schöneres, als in dem Beruf, den man liebt, den eigenen Bruder als Kollegen zu haben. So einiges, wenn dieser Bruder Owen Hart heißt. Die brüderliche Liebe zwischen Bret und Owen Hart wurde Mitte der Neunziger zu blankem Hass - und sorgte für eine der denkwürdigsten Fehden der Wrestlinggeschichte.
Obwohl Bret und Owen Hart aus derselben Familie stammten, schien es lange so, als hätte nur Bret das Erfolgs-Gen von seinem Vater geerbt. Während Bret Anfang der Neunziger von Erfolg zu Erfolg eilte, dümpelte Owen in bedeutungslosen Tag Teams mit Brets altem Partner Jim Neidhart und Koko B. Ware herum und riss auch als Einzelwrestler keine Bäume aus. Die Rolle von "The Rocket" war noch nicht wirklich gefunden, so hatte man das Gefühl.
Bret und Owen hatten trotz ihrer Familienbande in der WWF eher wenig miteinander zu tun, bis sie 1993 gemeinsam in eine Auseinandersetzung mit Jerry „The King“ Lawler verstrickt wurden, der sich nach und nach mit der kompletten Hart-Familie anlegte. Bei der Survivor Series 1993 sollte es als Höhepunkt der Fehde zu einem Ausscheidungsmatch zwischen Lawler mit drei von ihm handverlesenen maskierten Rittern auf der einen und vier der Hart-Brüder auf der anderen Seite kommen: Bret, Owen und deren eigentlich nicht in der WWF aktiven Brüder Keith und Bruce. Lawler wurde jedoch in letzter Sekunde durch Shawn Michaels ersetzt, weil der King kurz zuvor Opfer einer haltlosen Vergewaltigungsanschuldigung wurde und aus dem WWF-TV genommen wurde.
Der kleine Bruder begehrt aufFür die Harts verlief das Match gut, speziell Owen beeindruckte, indem er gleich zwei der Ritter eliminierte. Als nur noch Michaels übrig war, prallte Owen dann aber mit dem unaufmerksam am Ringrand stehenden Bret zusammen. Bret fiel ins Absperrgitter und Shawn nutzte die Situation Owens Ablenkung und rollte ihn schnell ein. Owen war ausgeschieden und sauer. Die übrig gebliebenen Harts gewannen das Match, nachdem sich der von der Übermacht frustrierte Michaels freiwillig auszählen ließ. Ein verärgerter Owen unterbrach jedoch die Siegesfeier und machte Bret Vorwürfe wegen dessen Unaufmerksamkeit. Es kriselte bei den Harts.
Zu Weihnachten 1993 präsentieren sich Owen und Bret Hart bei einer Ausgabe von WWF Superstars als versöhntes Bruder-Paar und erklärten, ihren Streit aus der Welt geschafft zu haben. Sie forderten die Quebecers zu einem Tag Team Titelmatch beim Royal Rumble im Januar 1994 heraus. In dem Match verletzte sich Bret am Knie und ließ mehrere Gelegenheiten verstreichen, seinen Bruder einzuwechseln. Ein Fehler: Nach einer Weile konnte der Ringrichter sich das nicht mehr mit ansehen und läutete das Match zu Gunsten der Quebecers ab. Owen machte seinen Bruder Bret erneut verantwortlich, ihm einen großen Sieg gekostet zu haben und in diesem Fall sogar sein erstes WWF-Gold. Owen ging schließlich auf Bret los und attackierte dessen angeschlagenes Bein noch weiter.
Es war kein einmaliger Ausraster, wie sich in den Wochen darauf zeigte. Owen giftete von Woche zu Woche aufs Neue gegen seinen Bruder. Er nannte ihn egoistisch und beschuldigte ihn, dafür verantwortlich zu sein, dass seine Karriere nicht vorwärts kam. Bret sollte etwa Owen gezwungen haben, als „Blue Blazer“ eine Maske zu tragen, damit er Brets Popularität nicht gefährde. Außerdem hätte er den Sharpshooter von ihm gestohlen. Owen brachte auch Brets Fans gegen sich auf, indem er etwa andeutete, wie Bret den kleinen Fans seine Sonnenbrille zu schenken – nur um sie dann vor ihren Augen zu zerreißen.
Owen siegt – doch Bret holt den TitelOwen forderte Bret zu einem Match heraus, um zu beweisen, dass er der Bessere sei –doch Bret weigerte sich, gegen sein eigen Fleisch und Blut zu kämpfen. Er musste es bei WrestleMania jedoch. Bret hatte nach dem verlorenen Tag Team Match gemeinsam mit Lex Luger das Rumble-Match gewonnen und bekam so bei Mania eine Titelchance gegen den Sieger des Matches zwischen Luger und dem Champion Yokozuna. Der Fairness halber setzte WWF-Präsident Jack Tunney aber fest, dass Bret vor diesem Match ebenfalls noch in den Ring musste – eben gegen Owen.
Owen setzte sich in dem Match überraschend durch, in dem er eine Victory Roll von Bret auskonterte – der bislang größte Sieg in seiner Karriere. Bret Hart ließ sich dadurch jedoch nicht vom Kurs abbringen und holte sich am selben Abend den WWF World Title von Yokozuna zurück. Während fast sämtliche Babyfaces der Liga Bret feierten und ihn auf die Schultern, blickte Owen nur missgünstig vom Gang aus auf seinen Bruder. Es passte ihm gar nicht, dass jetzt der Mann triumphierte, den er doch gerade eben noch bezwungen hatte.
Owen forderte Bret aus nahe liegenden Gründen zu einem Titelmatch, doch er musste sich hinter Diesel anstellen, der beim King Of The Ring eine Chance auf den Gürtel erhielt. Bret brachte für das Match seinen Schwager und früheren Partner Jim Neidhart zurück um die Präsenz von Diesels Kumpel Shawn Michaels auszugleichen. Neidhart griff zum Schluss ein und kostete Diesel damit den Titel, da er eine Disqualifikation verursachte – dazu ließ er Bret zurück, als Diesel und Shawn ihre Wut an ihm ausließen. Owen Hart nahm am selben Abend am King Of The Ring Turnier teil und stand nach Siegen über Tatanka und dem 1-2-3 Kid im Finale gegen Razor Ramon. Neidhart eilte dann zum Schluss überraschend zum Ring und attackierte Razor, was dazu führte, dass Owen zum König gekrönt wurde. Damit wurde klar, dass Neidhart Bret nur zur Titelverteidigung verholfen hatte, um Owen ein Titelmatch gegen Bret zu ermöglichen. Fortan nannte sich Owen nur noch "King Of Harts" und Neidhart wich nicht mehr von seiner Seite.
Owen kostet Bret den GürtelZu dem Titelmatch sollte es schließlich im August beim SummerSlam 1994 kommen – und zwar in einem Stahlkäfig. Die gesamte Hart-Familie war vor Ort – unter ihr ein weiterer Schwager der Harts: Der British Bulldog Davey Boy Smith, der das erste Mal seit Ende 1992 wieder in der WWF auftauchte. Nach über einer halben Stunde verbissenem Kampf konnte Bret dem Käfig entkommen, nachdem er Owen in dem Stahlkonstrukt verhedderte. Ein klarer Sieg, doch die beiden schwarzen Schafe der Hart-Familie akzeptierten ihn nicht. Neidhart attackierte Davey Boy und schloss sich dann schließlich mit Owen in den Käfig ein, um Bret weiter zu bearbeiten. Erst als Davey Boy und mehrere andere Brüder in den Käfig kletterten, ließen Owen und Neidhart von Bret ab. Die Fronten waren nun klar gezogen: Bret und der Bulldog standen auf der einen, Owen und Neidhart auf der anderen Seite.
Einige Wochen später rang sich Bret dazu durch, Owen noch eine letzte Chance auf den Gürtel zu geben. In der Debütausgabe der neuen Show Action Zone zog Owen nach Eingriffen von Neidhart und dem Bulldog aber erneut den Kürzeren. Das hielt Owen nicht davon ab, sich weiter in Brets Angelegenheiten einzumischen.
Bei der Survivor Series 1994 setzte Bret seinen Titel gegen Bob Backlund in einem Submission Match aufs Spiel, das man nur verlieren konnte, wenn ein Sekundant das Handtuch für einen werfen würde. Owen stand hierbei in Backlunds Ecke und spielte am Ende die die entscheidende Rolle in dem Match. Nachdem Brets Sekundant Davey Boy k.o. ging und Bret in Backlunds Crossface Chicken Wing geriet, bettelte er Mutter Helen an, Brets Leiden an Davey Boys Stelle zu beenden. Owens gespieltes Mitleid fruchtete: Helen warf das Handtuch und kostete ihrem Sohn den Titel. Owen schnappte sich das Handtuch und verließ frohgemut den Ring.
Ein letztes AufflackernDoch Owen gab sich damit nicht zufrieden, sondern torpedierte auch noch Brets Versuche, den Titel wieder zu erringen. Beim Royal Rumble 1995 traf Bret auf Diesel, der sich den Gürtel in der Zwischenzeit von Backlund geholt hatte. Das Match der beiden musste ergebnislos abgebrochen werden, nachdem Owen, Neidhart, Backlund und auch Diesels Feinde Shawn Michaels und Jeff Jarrett sich ständig einmischten und beide attackierten. Bret schlug jedoch zurück und attackierte Owen auf dessen Weg zum Rumble-Match, so dass Owen schnell eliminiert wurde.
Die schon beendet geglaubte Bruderfehde flackerte damit noch einmal auf: Einige Wochen später standen sich Bret und Owen dann noch einmal gegenüber – in einem No Holds Barred Match bei Monday Night RAW. Bret fuhr einen klaren Sieg mit dem Sharpshooter ein, den er nach dem Match auch erst löste, als mehrere Offizielle dazwischen gingen.
Nach dem Match wurde es ruhig um die Fehde. Owen stichelte weiter gegen Bret, aber im Ring blieben sich die beiden Brüder fortan fern – bis sie sich zwei Jahre später mit der
Gründung der Hart Foundation wieder versöhnten.
Credit @ Al Pacino