Eine packende Hintergrundstory, schockierende Wendungen und viel Blut – all das hatte die Fehde zwischen Ric Flair und Ricky Steamboat nicht zu bieten. Dennoch wurde sie von Pro Wrestling Illustrated zur Fehde des Jahrhunderts gewählt. Warum? Weil die beiden eine Matchserie auf die Beine stellten, die an Qualität schlicht nicht zu überbieten war.
Die Auseinandersetzung entwickelte sich aus einer Fehde um den US Title, die Flairs Horsemen-Kollege Barry Windham mit Eddie Gilbert bestritt. Nachdem sich der amtierende NWA World Champion Flair mehrfach in die Auseinandersetzung einmischte, hatte Gilbert genug und forderte beide zu einem Tag Team Match heraus – mit einem Überraschungspartner. Um diesen Partner wurde ein riesiges Mysterium gemacht, nach Schilderung der NWA-Kommentatoren sollte dieser den Vertrag für das Match unter einer Maske unterzeichnet haben.
Im Januar 1989 kam es schließlich zu dem Match und ein grinsender Gilbert präsentierte den früheren WWF Intercontinental Champion Ricky „The Dragon“ Steamboat. Flairs Entsetzen war groß, denn die beiden hatten eine lange Vorgeschichte. Im Mid-Atlantic-Territorium hatte Flair Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger unzählige Schlachten mit Steamboat geschlagen – und jedes Mal wurde ihm das Letzte abverlangt. Nichtsdestotrotz stellte er sich der Herausforderung und wurde von Steamboat mit einem Crossbody vom obersten Seil gepinnt.
Ruhm und Reichtum gegen die wahren WerteAls logische Folge rückte Steamboat damit an die Spitze der Herausfordererliste auf Flairs Titel. Ein Match der beiden wurde für den Chi-Town Rumble festgesetzt. Der Aufbau des Aufeinandertreffen hatte viel von einem altem Capra-Klassiker: Auf der einen Seite Steamboat, der bodenständige Familienmensch, der für die wahren Werte des Lebens stand – auf der anderen Flair, der von Geld, Macht und Ruhm korrumpierte Playboy.
Als Vorbereitung auf das Match mit Flair bestritt Steamboat ein öffentliches Workout gegen drei Wrestler – unter anderem den jungen Dustin Rhodes. Als die NWA-Kommentatoren Jim Ross und Magnum TA anmerkten, mit welche Finesse Steamboat dabei alle typischen Aktionen von Flair auskonterte, stürmte der wütende Nature Boy zu ihnen, um ihnen klar zu machen, dass Steamboat damit gar nichts bewiesen hätte. Schließlich forderte Steamboat Flair auf, zu ihm zu kommen – und prügelte ihn quer durch den Ring.
Fünf Tage vor dem Match – beim vierten Clash Of The Champions – kam es zu einer weiteren Konfrontation. Flair betrat ausgehfertig und mit mehreren schönen Frauen im Arm den Ring – begleitet von seinem neuen Manager Hiro Matsuda von der dubiosen japanischen Yamasaki Corporation. Er rief Steamboat heraus und bot ihm an, ihm eine oder mehrere der Damen zur Verfügung zu stellen. Steamboat reagierte mit Verachtung und erklärte, dass Flair eine Schande für den Titel wäre. Als Flair dann meinte, dass Steamboat noch einen letzten Blick auf das werfen sollte, was ihm entgehe und dann seiner Alten wieder beim Abwasch helfen könnte, ging Steamboat auf ihn los. Steamboat zog den teuer eingekleideten Flair bis auf die Unterhose aus und warf schließlich seinen 1500-Dollar-Anzug ins Publikum. Der Appetit auf den Showdown wurde immer größer.
Ein Feuerwerk beim RückmatchSteamboat schaffte es dann beim Rumble tatsächlich, Flair den Titel abzunehmen, indem er den Ansatz zum Figure Four Leg Lock mit einem Small Package auskonterte. Flairs obligatorisches Rückmatch sollte er dann beim nächsten Clash Of The Champions erhalten, der parallel zu WrestleMania V lief. Als Sonderklausel wurde der Kampf zu einem Two Out Of Three Falls Match erklärt, in dem die beiden dann ein regelrechtes Wrestling-Feuerwerk abbrannten.
Die Strategie beider Kontrahenten lautete, den Gegner gezielt an einer Stelle zu schwächen, um diesen am Schluss mit ihrem jeweiligen Finisher zur Aufgabe zu zwingen. Flair bearbeitete Steamboats Bein für den Figure Four Leg Lock, Steamboat nahm sich Flairs Arm vor, damit er ihn in den Double Chicken Wing zwängen konnte. Nach zwanzig Minuten gelang Flair der erste Pinfall, als er ein Small Package Steamboats auskonterte. Steamboat glich jedoch mit dem erwähnten Double Chicken Wing aus.
In der Folge ging Flair umso heftiger auf Steamboats Bein los und konnte dann auch den Figure Four ansetzen – Steamboat jedoch befreite sich. Kurz vor Ablauf des Sechzig-Minuten-Zeitlimits hob er Flair dann erneut zum Double Chicken Wing hoch – doch Steamboats geschwächtes Bein knickte unter der Last ein und beide Kontrahenten fielen zu Boden. Die beiden landeten so auf der Matte, dass Flair sich in einer Pin-Position wieder fand, der Ringrichter bis drei zählte und Steamboat zum Sieger erklärte. Was er dabei übersah: Flair hatte die Beine auf dem Seil.
Drohung mit dem AnwaltEin wütender Nature Boy schaltete nun seinen Anwalt ein und drohte damit, die NWA, Ted Turner und Steamboat zu verklagen, wenn er nicht binnen dreißig Tagen ein weiteres Rückmatch erhalten würde. Die NWA-Oberen willigten schließlich ein – nicht aus Angst vor Flairs Anwälten, sondern den Fans zuliebe – und entschieden zur Sicherheit, drei Kampfrichter an den Ring zu setzen, sollte es erneut ein kontroverses Finish geben: Die Ringlegenden Lou Thesz, Pat O’Conner und Terry Funk nahmen diese Positionen ein. Steamboat hatte keine Probleme damit, merkte aber an, dass dies Flairs letzte Chance wäre.
Beim WrestleWar in Nashville gaben Flair und Steamboat erneut ihr letztes und diesmal machte sich Flairs Taktik bezahlt, auf Steamboats Bein loszugehen. Als dieser einen Bodyslam ansetzte, griff sich Flair das Bein und drückte seinen Gegner mit einem Inside Cradle auf die Matte. Flair hatte seinen Gürtel also zurückerobert. Er sprach Steamboat hinterher seinen Respekt aus und schüttelte ihm die Hand – was seinen Face-Turn einleitete. Dieser wurde im direkten Anschluss zementiert als Kampfrichter Funk auf den Nature Boy losging, weil dieser ihm kein Titelmatch gewähren wollte. Doch das ist eine
andere Geschichte.