Als Jeff Jarrett im Herbst 2006 den Olympiasieger und vielfachen WWE World Champion Kurt Angle für TNA Wrestling gewann, war der bis dahin wohl größte Personalcoup, den die Liga gelandet hatte. Was der Mitbegründer und Machthaber der Promotion damals nicht ahnte war, wie fundamental die Verpflichtung drei Jahre später nicht nur die Liga, sondern auch sein Leben verändern sollte. Am Ende eine komplizierten privaten und geschäftlichen – und nie ganz noch von außen nachvollzogenen – Verwicklung zwischen Angle und Jarrett stand die Entmachtung Jarretts durch TNA-Chefin Dixie Carter und die Hochzeit Jarretts mit Angles früherer Ehefrau Karen. Begleitmusik beziehungsweise Vorspiel des Zerwürfnisses war eine On-Air-Fehde der beiden, bei der schon öfters nicht mehr klar war, ob da noch ein Schauspiel oder eine vor den Kameras ausgetragene Feindschaft zu besichtigen war.
Los ging alles im Sommer 2008, über ein Jahr, nachdem sich Jarrett wegen des Krebstodes seiner Ehefrau Jill selbst aus dem Programm geschrieben hatte. Das tragische persönliche Schicksal hatte bei den Zuschauern ungeahnte Sympathien für den zeitweise nicht nur wegen seiner langjährigen Heel-Rolle unbeliebten Jarrett geweckt – weshalb dieser schon vor seiner Auszeit zum Publikumsliebling geworden war und auch als solcher zurückkam.
Deutliche Indizien von Jeffs Wiederkehr war, dass beginnend bei Hard Justice die Fan-Favoriten der Liga immer wieder mysteriöse Hilfe von einem Mann mit einer Gitarre bekamen – Jarretts bevorzugter Waffe. In regelmäßigen Abständen ging bei wichtigen Matches unvermittelt das Licht aus – und ebenso plötzlich waren die Publikumslieblinge mit dem besagten Objekt versorgt. Die Begünstigten waren AJ Styles und Samoa Joe, Leidtragende waren Booker T, Sting und vor allem: Kurt Angle. Mehrmals kosteten ihn die kostenlosen Gitarrenlieferungen Matches gegen seinen damaligen Erzfeind Styles – ehe Jarrett schließlich bei No Surrender persönlich auftauchte und Angle die Gitarre diesmal selbst überzog, was ihn die Chance kostete, Samoa Joe den TNA World Title abzunehmen.
Jarretts EnttäuschungBeim Impact darauf erklärte Jarrett sein Handeln: Er meinte, dass er die Entwicklung von TNA Wrestling in seiner Abwesenheit verfolgt hätte – und gesehen hätte, wie junge, hungrige Leute wie eben Joe und AJ die Liga getragen hätten, während etablierte Stars wie Sting, Angle und Booker sich die Art von Platzhirsch-Verhalten angewohnt hätten, die seinerzeit die WCW in den Abgrund gestürzt hätte. Diese Ansprache war ein Baustein der sich anbahnenden
Main Event Mafia-Storyline, aber eben auch für seine Feindschaft mit Angle.
Über den erklärte Jarrett nämlich, dass er ihn seinerzeit handverlesen hätte, um in seiner Abwesenheit die Führungsrolle einzunehmen, die er vorher gehabt hätte – dass er diese Entscheidung nun aber bereuen würde, denn Angle hätte sich inzwischen selbst unmöglich gemacht, indem er seinen Titel, seine Medaillen (gegen AJ), seine Ehefrau und fast schon seine Würde verloren hätte. Ein erboster Angle antwortete, dass Jarrett ihn geholt hätte, weil er selbst seinen Zenit überschritten hätte und in ihm eine jüngere und bessere Version seiner selbst gefunden hätte. Er hätte die Liga getragen, nicht Joe und AJ. Und wenn Jarrett und die Fans das nicht respektieren würden, wären sie Ar…cher. Angle forderte Jarrett zu einem Match bei Bound For Glory heraus, was Jarrett aber ablehnte. Seine Zeit als Wrestler wäre vorbei, er hätte nichts mehr zu beweisen. Angle antwortete darauf, dass sich Jarrett dann aus seinem Ring verziehen sollte. Jarrett antwortete, dass Angle ihn nicht reizen könne – und präsentierte ihm darauf den nächsten Neuerwerb seiner Liga: Hardcore-Legende Mick Foley.
Beim nächsten Impact wandte sich Jarrett noch einmal an das Publikum und gestand ein, dass er in der vergangenen Woche mit seinen Aussagen über Angle über das Ziel hinausgeschossen wäre. Er entschuldigte sich für einige seiner Aussagen und erkannte an, dass Angle ein herausragender Athlet, sogar ein amerikanischer Held wäre. Er meinte, ihm auch die an Styles verlorenen Goldmedaillen zurückgeben zu wollen. Angle allerdings akzeptierte die Entschuldigung nicht. Er forderte ihn wieder auf seinen Ring zu verlassen und aufzuhören, sich bei ihm einzuschleimen. Als Jarrett dann auch ging, rief Angle ihm hinterher, dass er ein feiger Hund und ein Mensch gewordener Fehlschlag wäre. Jarrett können nun seinen drei Töchtern beibringen, dass er den Schwanz eingezogen hätte. Jarrett ging darauf zurück zu Angle und meinte, dass er das nie getan hätte und nie tun würde: Das Match bei Bound For Glory würde stehen.
Bitterböse BemerkungenIn der Woche darauf geriet die Auseinandersetzung noch einmal auf eine ganz neue Ebene: In einem Interview mit der englischen „Sun“ verbreitete Angle eine kritische Abrechnung über die seiner Ansicht nach fehlerhafte Ausrichtung der Liga und seine Differenzen mit Jarrett, wobei er sogar mit einer Rückkehr zur WWE kokettierte. Angle sprach von einem Vater-Sohn-Verhältnis, das ihn mit dem 2006 von ihm noch scharf kritisierten Vince McMahon verbinden würde. Jarrett reagierte bei Impact mit Unverständnis über das Interview und indem er öffentlich Aussagen Angles abspielte, in denen er ganz andere Dinge über McMahon erzählte. Jarrett kündigte an, dass er Angle bei BFG so verprügeln würde, dass Papa Vince ihn garantiert nicht zurücknehmen würde.
Angle reagierte mit bitterbösen Kommentaren, unter anderem der Aussage, dass er nicht der einzige wäre, der eine Frau verloren hätte. Am Ende des Abends musste er dann herausfinden, dass Foley bei dem Match gegen Jarrett als Special Enforcer dienen würde. Bei der letzten Show vor dem Pay Per View machte Jarrett dann im Beisein Foleys seine Ankündigung wahr und händigte Angle die Goldmedaillen aus – ehe Foley die beiden zu einem Handschlag animierte. Ein wenig Beschwichtigung schien erreicht zu sein, ehe Angle zu Jarrett sagte, dass dieser sich in seinem Namen schon einmal bei seinen drei Töchtern entschuldigen sollte: Denn die würden nach Bound For Glory auch ohne ihren Vater auskommen müssen.
Nach diesem Tiefschlag war endgültig das Feld für einen verbissenes, persönliches und blutiges Grudge Match gelegt. Foley sollte darin eine entscheidende Rolle spielen: Als der Ringrichter ausfiel und er dessen Platz einnahm, wollte er Angle davon abhalten, einen Stuhl einzusetzen – und bekam ihn dafür selbst ab. Wieder erwacht, verhinderte Foley ein erfolgversprechendes Cover Angles an den ebenfalls mit dem Stuhl ausgeknockten Jarrett und nahm Angle in die Mandible Claw. Jarrett streckte Angle darauf mit der Gitarre nieder und holte sich den Sieg in seinem ersten Match seit über einem Jahr.
Angle provoziert das RückmatchEs sollte nach Jarretts Willen eine einmalige Rückkehr in den Ring bleiben – doch Angle hatte da nach seiner Niederlage andere Pläne. Er kündigte an, dass er sich notfalls durchs ganze Roster der Liga mähen würde, um Jarrett in die Finger zu kriegen. Er attackierte dann beim nächsten Impact die Prince Justice Brotherhood und schließlich gar Ringsprecher Dave Penzer, um Jarrett aus der Reserve zu locken. Der kam begleitet von Securitys auch angerückt, erklärte Angle aber lediglich, dass er sich mit seiner Niederlage einfach abfinden sollte. Er würde nicht mehr in den Ring steigen. Angle drohte Jarrett daraufhin, seinem Haus und seinen Töchtern einen Besuch abzustatten, sollte er nicht nachgeben, worauf Jarrett selbst von den Securitys zurückgehalten werden musste, nicht auf Angle loszugehen.
Angle versuchte Jarrett weiterhin vergeblich, mit persönlichen Anwürfen aus der Reserve zu locken, zugleich gab es wichtige größere Entwicklungen: zum einen der Zusammenschluss von Angle, Sting, Booker T und Kevin Nash zur Main Event Mafia, zum anderen Jarretts Verkauf von Anteilen der Liga an Foley, der damit eine neue Machtbasis bei TNA bekam – den Angle dann auch noch stärker ins Visier nahm. Jarrett ließ sich schließlich darauf ein, Angle einen Deal vorzuschlagen: Würde er bei Final Resolution Rhino besiegen, würde er das Rückmatch gegen ihn bekommen. Würde er verlieren, würde sein Vertrag aufgelöst. Angle ohrfeigte Jarrett nach dieser Ankündigung – um dann den Gore des hinter ihm lauernden Rhino einzustecken.
Wiederum wurde Foley als Special Enforcer des Matches eingesetzt und dazu die Mafia vom Ring verbannt, diesmal aber hatte Angle einen Plan ausgearbeitet, um die Hardcore-Legende zu neutralisieren: Er karrte dessen alten Weggefährten Al Snow an, der Foleys Aufmerksamkeit mit einer Ohrfeige auf sich zog. Angle verpasste Rhino derweil einen Stuhlschlag und beim anschließenden Cover zählte Foley widerwillig bis drei durch. Angle hatte seinen Willen bekommen: Das Rückmatch gegen Jarrett bei Genesis.
Ein brutaler ShowdownSiegesgewiss ließ sich Angle vor diesem Match ein Tributvideo für Jarretts Karriere zusammenschneiden, die er beim Pay Per View zu beenden gedachte. Angle fügte noch hinzu, dass er darüber nachdenken würde, Jarretts Kinder zu adoptieren, sobald Jarrett nicht mehr wäre. Jarrett war außer sich und attackierte Angle bei einem weiteren Match gegen Rhino, worauf er von Offiziellen zurückgehalten werden musste – unter ihnen sein langjähriger Freund BG James. Der legte sich dabei auch mit Angle an, der James dann mit einem Schlag zu Boden streckte.
James forderte und bekam darauf ein Match mit Angle, vor dem BG in Tränen ausbrach, als er rekapitulierte, was Angle über Jarretts Töchter gesagt hatte. James attackierte Angle gleich beim Einmarsch und tat sein Bestes, musste am Ende aber doch wie erwartet die Waffen strecken. Angle brachte ihn mit dem Ankle Lock zur Aufgabe und attackierte seinen Knöchel mit Hilfe eines Stuhls und der Mafia weiter, so dass James schließlich mit einer Trage aus dem Ring gebracht werden musste. Daraufhin bündelte Jarrett noch einmal all seine Gefühle in einer emotionalen Promo in Richtung Angle, in der er erklärte, dass er bei Genesis alles aus ihm herausprügeln würde.
Tatsächlich entwickelte sich der Showdown bei Genesis unter No-DQ-Regeln zu einem der härtesten und brutalsten Matches der Ligageschichte. Gefährlicher Höhepunkt war ein Angle Slam Angles von der Einmarschrampe durch einen Tisch. Letztlich brachte Angle Jarrett mit dem Ankle Lock zur Aufgabe und ging dann wie bei James auch auf Jarretts Knöchel mit einem Stuhl los. Jarrett musste ebenfalls von Sanitätern vom Ring getragen werden.
Verwerfungen in Angles „Familie“Von Jarrett war danach einige Zeit nichts zu sehen, was Angle und seine Mafia-Kollegen als Einladung verstanden, noch heftiger in der Liga zu wüten. Einmal übernahmen sie gar für einige Zeit die Kontrolle über Impact, ehe ein spät eintreffender Foley mit seiner Autorität die Ordnung wiederherstellte. Die Mafia wurde dennoch mächtiger denn je, was aber wie so oft eine unerwünschte Konsequenz hatte: Es gab interne Spannungen zwischen den Frontfiguren Angle und den TNA World Champion Sting.
Die wollte ein zurückkehrender Jarrett nutzen und befeuern, indem er für Destination X ein Match zwischen Angle und Sting um den Titel ansetzte. Angle unterschrieb den von Jarrett vorgelegten Vertrag, nur um dann wieder einmal auf Jarrett loszugehen. Auch der zu Hilfe eilende Foley wurde von Angle angegriffen, bis Sting hinzukam, Angle vertrieb und Jarrett wie Foley auf die Beine half. Jarrett suspendierte Angle für seinen Angriff eine Woche später ohne Bezahlung, was Angle nicht akzeptieren wollte. Er legte es auf eine erneute Prügelei mit Jarrett an, an deren Ende Jarrett die Oberhand behielt und Angle eigenhändig aus der Halle warf.
Jarrett und Foley versuchten in der Folge weiterhin, den Keil zwischen Sting und Angle zu vertiefen – wobei sie besonders an das eigentlich verlässliche Ehrgefühl des Stingers appellierten. Jarrett machte sich zum Special Referee des Matches der beiden und Foley wieder einmal zum Special Enforcer. Wie zu erwarten wurden beide in das Match verwickelt – und Angle ging mal wieder auf Jarrett los, als der seiner Meinung nach zu langsam gezählt hatte. Diesen Fokusverlust nutzte Sting zum Scorpion Death Drop, der ihm den Sieg brachte.
Foley knallt durchBeim nächsten Impact taten sich Jarrett und Foley zu einem Tag Team Match gegen Angle und Sting zusammen, das mit der überraschenden Entwicklung endete, dass Foley den ihm eigentlich freundlich gesinnten Sting mit einem Stuhl niederschlug. Dies bereitete den Boden für ein World Title Match zwischen Foley und Sting bei Lockdown, während sich dort im zweiten Hauptkampf wieder Jarrett und Angle miteinander befassen sollten. Angle führte die Main Event Mafia minus Sting in ein Lethal Lockdown Match gegen Jarrett und seine Proteges Styles, Joe sowie den von ihm zurückgeholten Christopher Daniels. Dieses Match gewann Brisanz dadurch, dass die Mafia Jarrett zu umgarnen und damit Misstrauen im gegnerischen Team zu säen versuchte. Die Frage, ob Jarrett zu trauen wäre, beantwortete er bei Lockdown aber klar: Er täuschte einen Turn gegen Styles an, schlug dann aber Booker mit der Gitarre nieder, um Styles dann den Pinfall zu überlassen.
Beim nächsten Impact wurde Jarrett dann wieder Opfer einer Attacke Angles und Scott Steiners, der bei Lockdown zum Champion gekürte Foley aber kam ihm zu Hilfe – nur um ihn dann mit einem Stuhl zu attackieren. Foley hatte bei seinem Ansinnen, für das Match gegen Sting den Geist seines Alter Egos Cactus Jack zu wecken, die Kontrolle über seinen Geisteszustand verloren – und brachte durch seine zunehmende Unberechenbarkeit bei der Ausübung seiner Autorität den Anteilsverkäufer Jarrett gegen sich auf. Zwei Wochen später gab es ein Ten Man Tag Team Match der Mafia gegen Jarretts Lockdown-Team plus Foley, an dessen Ende Jarrett aus Rache auf Foley losging – und ihn mit dem Gesicht voran in ein Stacheldraht-Brett presste. Foley schlug zurück, indem er Jarrett bei einem Besuch im Asylum von Nashville attackierte – einst die Heimat von NWA TNA und des Territoriums von Jeffs Vater Jerry, wo sich sowohl Jarrett als auch Foley frühe Sporen verdient hatten.
Das Gewirr an persönlichen Verstrickungen führte bei Sacrifice zu einem Four Way Match zwischen Jarrett, Angle, Foley und Sting – in dem alle Beteiligten passend zum Namen des Pay Per Views etwas aufs Spiel setzen mussten. Wer gepinnt würde, müsste seinen Einsatz opfern. Bei Jarrett war es seine Macht bei TNA, bei Angle der Status als „Pate“ der Mafia, bei Sting die Karriere und bei Foley der Titel. Letztlich pinnte Sting Angle, um neuer Chef der Mafia zu werden – Foley behielt so seinen Titel.
Ein jähes EndeNächster Halt der komplizierten Verstrickungen war Slammiversary, wo Foley seinen Titel in einem King Of The Mountain Match aufs Spiel setzte. Die Gegner, die sich ebenfalls qualifizierten: Jarrett, Angle, Styles und Samoa Joe. Jarrett beschäftigte sich im Vorfeld des Matches vor allem mit seinem Zerwürfnis mit Foley, der in dem Kampf auch bisweilen völlig irrational agierte. Am Ende sollte das Match aber eine überraschende Pointe haben: Samoa Joe turnte zur Main Event Mafia und verhalf seinem früheren Erzfeind Angle zum Sieg.
Der warf nach seinem Titelgewinn Sting aus der Gruppierung und merkte, dass Jarretts Wut von ihm auf Foley gewandert war – und bot ihm bei Impact einen Friedensschluss an und sich der Mafia anzuschließen. Jarrett aber wies das zurück und setzte stattdessen ein Tag Team Match zwischen ihm und Styles gegen Angle und Joe an – in dem Angle seinen Titel aufs Spiel setzen musste. Angle überstand die Herausforderung, indem er Jarrett in den Ankle Lock nahm, wo der TNA-Gründungsvater bewusstlos wurde. Im fortgesetzten Streit um die Autorität in der Liga bookten sich Jarrett und Foley beim nächsten Impact in ein Three Way Match gegen Angle, bei dem es nicht um den Titel ging. Angle gewann es, als Gastringrichter Eric Young Foley aufs Kreuz legte und Angle nach einem Ankle Lock den Sieg gewährte, obwohl Foley klar vernehmbar nicht aufgegeben hatte.
Nach dieser Show endete Jarretts Beteiligung am Ligageschehen: Wegen der eingangs erwähnten Backstage-Verstrickung wurde er von Carter suspendiert und tauchte erst zum Jahresende als reiner Wrestler ohne Backstage-Macht wieder auf. Angle setzte derweil noch unter seine Auseinandersetzung mit Foley einen Schlusspunkt, als er ihn bei Victory Road klar mit dem Ankle Lock besiegte.