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WWE: Einen Monat nach der Tragödie - Ein Lagebericht

(23.07.2007) News, written by The Mountie

Published on:
23.07.2007, 23:59 

Exakt einen Monat ist die Benoit-Tragödie jetzt her, zur Ruhe kommt die WWE aber noch lange nicht. Vince McMahon soll derzeit für jedermann offensichtlich gestresst wie schon lange nicht mehr sein, ein Wunder wäre es beileibe nicht. Mediales Kreuzfeuer, Quotenkrise und bald womöglich auch noch eine Kongressuntersuchung – die direkten und indirekten Folgen der Tragödie können einem auf Dauer nur über den Kopf wachsen.

Mittlerweile ist das Thema Benoit in den Medien nicht mehr ganz so heißt, wie es noch vor einiger Zeit war, aber trotzdem muss die WWE jederzeit weiter damit rechnen, wieder ins Fadenkreuz zu geraten, wenn man bedenkt wie viele „Zeitbomben“ noch in der Geschichte stecken, man bedenke nur die Kundenliste im Fall von Benoits Arzt Dr. Astin. Erst kürzlich bekam die Presse durch den Tod von John Kronus neue Nahrung in Bezug auf die Situation im Wrestling. Dass Kronus nie in der WWE war, ist da keine große Hilfe für die Liga.

Die WWE gibt sich in den Medien seit kurz nach der Tragödie extrem defensiv. Fast in allen Fernsehshows lässt sie sich von ihrem Juristen Jerry McDevitt vertreten. Auffällig dabei: McDevitt kommuniziert in jeder dieser Shows ausschließlich mit dem Moderator und ist nie gemeinsam mit anderen Gästen zu sehen. Es scheint, als ob er beziehungsweise die WWE es den Redaktionen zur Bedingung macht, ihn nicht in Debatten mit kritischen und dem Geschäft besser vertrauten Gästen zu verstricken, die McDevitt an den Schwachstellen seiner Argumente packen könnten.

Finlays Ambivalenz und Augenwischerei beim Thema Testosteron

Andere Vertreter schickt die WWE nur in Einzelfällen vor die Kamera. WWE-Champion John Cena trat bei CNN-Talkmaster Larry King auf, der mehr für seine väterliche Art als für knallhartes Nachfragen bekannt ist. Zur Nancy Grace Show bei Fox News, die das Thema konstant, aber nicht immer akkurat behandelte, wurde Wrestler und Road Agent Finlay gesandt, der wegen seiner gradlinigen Art erwählt und angeblich tagelang von den PR-Strategen präpariert wurde. Entsprechend exemplarisch standen daher seine Statements für die PR-Strategie der WWE dieser Tage: Er hob die Wellness-Politik hervor und verwies bei Detailfragen über deren Schwächen darauf hin, dass die Politik stetig weiter entwickelt würde. In Bezug auf sich kritisch äußernde Ex-Wrestler wie seinen Gesprächspartner Marc Mero stellte er fest, dass sie eben Ex-Wrestler seien und nicht wüssten, wie es in der WWE heute zugehe. Und in Bezug auf Drogenprobleme in der WWE erklärte er, dass jeder selbst die Wahl hätte, ob er etwas nimmt. Er selbst hätte in seinen 33 Jahren im Geschäft nie eine illegale Droge angerührt.

Von seinen Kollegen, bei denen derzeit ein starker Korpsgeist im Sinne von „Wir gegen die“ herrschen soll, bekam Finlay größtenteils Lob für seinen Auftritt. Dabei war dieser bestenfalls ambivalent. An mehreren Stellen gab er eine unglückliche Figur ab, etwa als er angesprochen auf eine Auflistung verstorbener Wrestler sinngemäß übersetzt eher hilflos erwiderte „Aber es sterben ja nicht nur Wrestler.“ Es herrscht das Gefühl vor, dass Finlay Glück hatte, dass seine Gesprächspartner – Mero und Bryan Alvarez von Figure 4 Weekly – so viel Respekt vor ihm haben und ihn daher nicht so hart anpackten, wie sie es hätten tun können. Möglich wäre das etwa gewesen als Finlay angesprochen auf den Herztod Eddie Guerreros erklärte, dass nicht bewiesen werden könne, dass Steroide hierbei eine Rolle gespielt hätten. Dabei wurde in Guerreros Todesakte ausdrücklich festgehalten, dass sein vergrößertes Herz, das sein Ableben verursachte, zum Teil auf vergangenen Steroidmissbrauch zurückzuführen sei.

Ein Punkt für den die WWE heftige Kritik einstecken muss, ist ihre Reaktion auf die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung Benoits. In einer Pressemitteilung stellte die WWE fest, dass Benoit negativ auf Steroide getestet worden sei und suggerierte damit, dass Benoit in der Hinsicht clean gewesen wäre. Cena und McDevitt ließen in darauf folgenden Statements ähnliches verlauten. Hiermit betreibt die WWE aber Augenwischerei, denn die Überdosierung von Testosteron ist faktisch nichts anderes als Steroidmissbrauch, was die WWE in ihrer Wellness Policy auch explizit festgehalten hat. In ihr heißt es: “The non-medical use of anabolic androgenic steroids (AAS), which include and are based on the natural steroid Testosterone, is prohibited.”

Nichtsdestotrotz soll McMahon sehr erleichtert gewesen sein, dass in Benoits Körper “nur” der Testosteronwert erhört war und nichts anderes Illegales gefunden wurde. Während McMahon mit dem Thema aber dennoch zurückhaltend umging, soll Executive Producer Kevin Dunn seine Freude darüber kaum verhehlt haben.

Wrestler verlieren Muskelmasse, Kongressanhörung wird wahrscheinlicher

Am 2. Juli, also noch vor der Veröffentlichung, teilte Vince McMahon den Wrestlern vor der RAW-Ausgabe mit, jede Droge auf der man potenziell ist „auf der Stelle“ abzusetzen. Anscheinend waren da Steroide und Wachstumshormone inbegriffen. Jedenfalls ist ganz ähnlich wie nach Eddies Tod derzeit wieder ein sichtbarer Rückgang an Muskelmasse bei einigen Wrestlern zu beobachten. Laut internen Schätzungen wurde das bei etwa der Hälfte der Wrestler beobachtet.

Dies kann aber natürlich auch mit anderen Faktoren zusammen hängen – etwa damit, dass mit Dr. Astin nun ein bereitwilliger Verschreiber der Chemikalien weggefallen ist oder aber dass andere solcher Ärzte durch den Fall aufgeschreckt wurden und mit den Rezepten aus Angst vor ähnlichen Konsequenzen nicht mehr so freigiebig sind. Natürlich könnte auch einfach sein, dass bei einigen der Trainings- oder Esseifer wegen dem Schock über die Tragödie temporär nachgelassen hat.

So oder so: Dass die WWE-Wrestler von den Chemikalien herunterkommen, kann im Moment nur im Interesse der Liga sein. Denn wie es scheint, erfüllt sich für die WWE das Albtraumszenario einer Kongressanhörung zum Thema Steroide im Wrestling. Der republikanische Abgeordnete Cliff Stearns aus Florida, der diese vor einiger Zeit gefordert hat, hat eine Mitteilung dazu veröffentlicht. Er erklärt darin, dass er mit den Vorsitzenden des Handels- und des Verbraucherschutzausschusses im Repräsentantenhaus über das Thema gesprochen hat. Ihm sei signalisiert worden, dass eine Anhörung im Herbst stattfinden könne – auch wenn noch kein Termin fixiert wurde.

McMahon hadert mit Quotenkrise

Ein weiteres Problem ergab sich in Bezug auf die nächste Auflage des SmackDown!-vs.-RAW-Videospiels. Das Spiel war praktisch schon fertig programmiert, als die WWE die logische Entscheidung fällte, die Order zu geben, Benoit aus dem Spiel zu entfernen. Obwohl das in einem so späten Stadium einen enormen Aufwand bedeutet, blieb den Spielproduzenten keine wirkliche Wahl um ein PR-Desaster zu vermeiden.

Ein Desaster in Bezug auf die Einschaltquoten hat die WWE bereits am Hals. Nachdem das Rating von Monday Night RAW zum zweiten Mal in Folge nicht über 3.4 hinauskam, ein Umstand, an dem die Benoit-Tragödie nicht unschuldig sein dürfte, soll bei der WWE regelrecht Feuer unterm Dach sein. Laut Figute 4 Weekly soll die Quotenkrise (die aber übrigens nur RAW und nicht das in der Hinsicht stabile SmackDown! erfasst hat) vergangene Woche ein größeres Thema für Vince gewesen sein, als die Benoit-Autopsie. Schon vor dem jüngsten Quotensturz soll Vince vom USA Network unter Druck gesetzt worden sein, die Quote zu steigern und der hat sich nun logischerweise erhöht. Wie es heißt, will USA RAW trotz aller Bedenken seitens der WWE wenn möglich immer noch auf drei Stunden ausbauen und da macht sich ein solcher Quotenverfall gar nicht gut.

McMahon sieht den Grund für die Krise gar nicht mal so sehr in der Benoit-Tragödie, sondern in schlechtem Booking der Show. Laut dem Wrestling Observer hat man in der WWE vergangene Woche erstmals erlebt, dass McMahon RAW-Chefschreiber Brian Gerwitz frontal anging, ehe Stephanie McMahon die Wogen glättete. Laut F4W soll McMahon derzeit quasi jedem außer sich selbst die Schuld an der Misere geben obwohl er die letzte Instanz bei allen Storylines ist. Es heißt, dass wenn sich die Quoten nicht bald erholen Köpfe rollen. Und keiner außer Stephanie, Dunn und eventuell Personalchef John Laurinaitis könne sich seines Postens zu hundert Prozent sicher sein.