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Die Wolfshöhle #1: Quo vadis, Sheamus?

Kolumne

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Published on:
08.02.2010, 00:16 
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Rund 60 Tage ist es her, da wurde das WWE-Universum in seinen Grundfesten erschüttert. Ein Rookie schafft binnen fünfeinhalb Monaten das, was vielen Veteranen zuvor nicht gelungen war und was viele Fans (schon wieder) herbei gesehnt haben: Sheamus setzte der Regentschaft von John Cena als WWE Champion ein jähes Ende. Wurden damals direkt nach dem Sieg im Tables Match beim TLC-PPV des Keltenkriegers erste Rufe laut, dass es sich hierbei um einen Unfall gehandelt haben muss, denn schließlich wurde "Super-Cena" durch den Tisch befördert, dürfte man gut zwei Monate später wohl davon ausgehen, dass der Monster-Push des Monster-Iren durchaus geplant war. Doch nun stellt sich die Frage: Quo vadis, Sheamus?

Dazu muss man wohl noch etwas ausholen. Wie bereits beschrieben, brauchte der Celtic Warrior gerade einmal fünfeinhalb Monate, in Tagen ausgedrückt derer 166, um sich die höchste Auszeichnung der WWE zum ersten Mal umschnallen zu dürfen. Sheamus verfehlte damit den Rekord von Brock Lesnar um 6 Tage. Jener Brock Lesnar gewann seinerzeit die WWE Championship 160 Tage nach seinem TV-Debüt und wurde danach bis zu seinem unrühmlichen Abgang aus der WWE 2004 einer der Stützpfeiler von SmackDown. Eine Geschichte, wie sie Sheamus sicherlich auch hätte widerfahren können.

Doch die Realität sieht deutlich anders aus. Sheamus erntet in den meisten Internet-Communities viel negative Kritik und sein Run als WWE Champion wird bereits als Fehlschlag abgestempelt. Nun wissen die meisten Leser, die das Bewertungssystem auf CAGEMATCH aufmerksam im Auge haben, dass ich ein sehr großer Fan des Mannes von der grünen Insel bin. Und dennoch: Ich stimme zu, dass Sheamus' Lauf als WWE Champion gescheitert ist und ad acta gelegt werden sollte - vorerst.

Gründe für den Misserfolg

Nun mag man geteilter Auffassung darüber sein, wo die Gründe dafür liegen, dass seine Zeit als WWE Champion nicht in bester Erinnerung bleiben wird, aber von einer Sache bin ich überzeugt: Sheamus trägt, wenn überhaupt, nur eine geringe Schuld daran. Der Ire zeichnet sich durch seine harten, authentisch wirkenden Aktionen aus, weil es zu seinem Gimmick passt. Dies sollte allerdings nicht den Blick dafür trüben, dass das, was er im Ring tut, Hand und Fuß hat und gewisse Aktionen, die er bringt, eigentlich die Ringübersicht eines erfahrenen Veteranen benötigen. Und wer sich ältere Aufnahmen von Sheamus anschaut, wird nicht umhin kommen zu bestätigen, dass der Mann in Sachen In-Ring-Fähigkeiten wahrlich kein unbeschriebenes Blatt ist.

Und das wäre dann auch schon Grund Nummer 1, warum Sheamus als WWE-Champion durchfällt. Kein einziges seiner Matches als Champion dauerte länger als maximal 12 Minuten, und dieses längste Match (und gerade mal seine zweite "öffentliche" Titelverteidigung überhaupt) bestritt er beim Royal Rumble gegen Randy Orton. Und dieses Match endete, nachdem es wirklich gut geführt war von beiden Seiten, lahm in einer Disqualifikation, die zwar zur Story rund um Orton und Legacy passte, dem Ansehen von Sheamus als Champion keineswegs gut tat. Denn Grund Nummer 2 sind die vielen Matchenden durch Disqualifikation.

Wer sich einmal die Matchstatistik von Sheamus ansieht, wird viele Matches finden, die durch Disqualifikation beendet wurden. Mal wurde der Ire disqualifiziert, mal sein Gegner. Doch eines fällt auf: Die DQs begaben sich ausschließlich gegen die großen Namen, John Cena, Triple H und eben zuletzt Randy Orton. Zwar fand ein Großteil dieser Matches bei House Shows statt, doch jemand, der bei einer solchen Show nicht anwesend war und diese Ergebnisse liest, wird denken: "Sheamus kann nicht bei den großen Jungs mitspielen."

Grund Nummer 3 ist etwas, woran Sheamus zwar nicht wirklich die Schuld trägt, aber woran er auf jeden Fall arbeiten kann und sollte: Sein Akzent. Vermutlich ist das der Grund, warum man es bei der WWE vermeidet, ihn längere Promos halten zu lassen, denn sein irischer Dialekt ist zum Teil wirklich schwer verständlich. Ich denke jedoch, dass es möglich ist, dass man sich einen solchen Dialekt zum Teil abtrainieren kann. Jedoch sollte er ihn meiner Ansicht nach nicht komplett ablegen, denn dieser Dialekt ist es schließlich auch, der den Celtic Warrior neben seinem Look von der Masse abhebt. Dennoch, vermutlich ist es genau dieses Gedankengut in den Köpfen der Kreativen, die mich zum letzten und wichtigsten Grund dafür führt, warum Sheamus als WWE Champion kein Land sieht.

Miserables Booking. Es ist sicher immer leicht, die Schuld für den Misserfolg eines Wrestlers auf die Kreativen zu schieben, aber angesichts der Tatsache, dass ich Sheamus für einen talentierten Mann mit Starpotential halte, muss ich doch annehmen, dass den kreativen Köpfen rund um Brian Gerwitz einfach nichts Gescheites zum Celtic Warrior einfällt. Bestes Beispiel ist hier wohl eindeutig die RAW-Show nach dem Titelgewinn des Iren. Sicher, es waren die Slammy Awards, aber hätte man sich einen Zacken aus der Krone gebrochen, Sheamus hier ein paar Minuten mehr zu geben, damit er eine arrogante, selbstsichere Promo halten kann, in der er sich als den größten Krieger aller Zeiten darstellt und unter Umständen sich noch ein bisschen damit rühmt, der erste Ire zu sein, dem der große Wurf gelingt?

Was Sheamus außerdem fehlt, ist das große Breakout-Match. Das Match gegen Orton beim Royal Rumble hätte es werden können, denn bis zum Angle mit der Disqualifikation war es wirklich ein solides bis gutes Wrestling-Match, in dem Sheamus zeigen durfte, dass er mehr kann, als nur brutale Aktionen austeilen. Sheamus hat ordentlich eingesteckt und bis zum Ende auch gut verkauft, lediglich einmal schien sein von Orton bearbeitetes Knie einer Wunderheilung unterzogen worden zu sein. Das kann aber getrost als "Anfängerfehler" verbuchen, der jedem passieren kann. Besonders, wenn man das erste Mal die Chance bekommt, sich wirklich längerfristig auf großer Bühne zu beweisen.

Wohin der Weg gehen sollte

Damit sich diese Fehler beim Iren allerdings nicht häufen, ist es wichtig, Sheamus jetzt konsequent öfter zu präsentieren und ihm auch mal die Chance zu geben, an seinen Fähigkeiten am Mikrofon zu arbeiten.

Und was wäre falsch daran, seine irische Herkunft noch stärker in den Mittelpunkt zu stellen? Da die WWE ja ohnehin auf Family Entertainment ausgerichtet ist, könnte man gleich noch ein wenig dem Bildungsauftrag Genüge tun und den Kleinen etwas über irische Mythologie beibringen. Zumal Sheamus auf seiner Website eine mehrseitige fiktive Biografie des keltischen Kriegers Sheamus O'Shaunessy hat, auf die sich die WWE wunderbar stützen könnte. Book it, Vince.

Ernsthaft: Wenn ich mir anschaue, wie Sheamus im WWE-TV dargestellt wird, ist er nach meinem Verständnis von einem Keltenkrieger so weit entfernt wie Hornswoggle vom Gewinn des World Heavyweight Title. Ein Krieger sollte, auch wenn Sheamus den Heel gibt, vor keiner Herausforderung zurückschrecken und nicht den einfachen Weg aus einer Konfrontation heraus suchen. Ein Krieger attackiert seinen Gegner nicht, wenn dieser abgelenkt ist. Und ein Krieger betrügt nicht wie ein gemeiner Söldner; man erinnere sich hier an eine Titelverteidigung gegen John Cena bei RAW, bei der Sheamus aus der Gefahr des drohenden Attitude Adjustments heraus den Ringrichter packte, um so die Disqualifikation zu erzwingen. Für mich steht der Begriff Krieger synonym für Werte wie Tugend, Ehrlichkeit und Respekt.

Wie oft ist Sheamus auch vor John Cena zurück gewichen? All dies passt nicht in das Bild des keltischen Kriegers, den Sheamus angeblich darstellen soll, sondern eher in das Bild des 08/15-Heels. Und genau hier sollten die Kreativen ansetzen. Sheamus ist vor allem eins: Eine Ausnahmeerscheinung, die man nicht booken kann wie den üblichen Wald-und-Wiesen-Bösewicht. Was der WWE an dieser Stelle fehlt, ist der Mut, neue Wege zu gehen und einen Heel als mächtig darzustellen. Schon bei Randy Orton klappte dies nicht wirklich, der kaum, dass er als psychotisches Monster Fahrt aufgenommen hatte, schon wieder weichgespült wurde.

Was wird nun die Zukunft für Sheamus bereit halten? Wünschen würde ich mir natürlich, dass er die Elimination Chamber dominiert und damit endgültig zeigt, dass er eben doch bei den großen Jungs mitspielen kann. Wenn man mal bedenkt, dass mit John Cena, Randy Orton und Triple H insgesamt 26 World Championships mit dem Iren in der Chamber stehen, dazu mit Kofi Kingston einer DER Aufsteiger des Jahres und Ted DiBiase als Faktor X, dann wäre eine Dominanz des WWE Champions hier doch sicherlich der große Breakout, der ihm noch fehlt.

Ich vermute jedoch, dass Sheamus hier nur "irgendwie" seinen Titel verteidigen wird, um ihn dann bei WrestleMania an (vermutlich) Triple H zu verlieren. Wenn man mit dem Verlust des Titels jedoch versucht, Sheamus' Charakter ein wenig neu zu definieren - in die Richtung, die mir hier vorschwebt vielleicht - und ihn der Rolle des Jägers präsentiert, dann könnte man es eventuell endlich schaffen, den Celtic Warrior für das Publikum interessant zu machen. Denn die negativen Reaktionen, die Sheamus in der Internet-Community erntet, sind in meinen Augen nicht gerechtfertigt. Der Run als WWE Champion war verfrüht, da gibt es nur wenig dran zu deuteln, aber dem Iren deswegen das Können abzusprechen, halte ich für gewagt.

Abschließend kann ich wirklich nur hoffen, dass die WWE mit Sheamus noch die Kurve bekommt. Ich sehe in dem Iren nach wie vor das Potential zum absoluten Superstar, und ich wäre persönlich sehr enttäuscht, wenn wir statt des Celtic Warrior in ein paar Monaten den "Dublin Debaucher" zu sehen bekämen.