DeutschEnglish
Not logged in or registered. | Log In | Register | Password lost?

Bobby Lashley: Zugpferd vom Reißbrett

Personalie

Article information
Published on:
22.03.2007, 00:00 
Category:
Author(s):
Zu Beginn der Fehde mit Donald Trump sagte Vince McMahon einen Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen musste: „Ich frage die Fans nicht, was sie wollen. Ich sage ihnen, was sie wollen sollen – und sie mögen es.“ Man konnte es als ironisches Spiel mit dem eigenen Image deuten – oder als besonders perfide Doppelbödigkeit mit der Aussage: So läuft es hier eben. Für letzteres spricht die Tatsache, dass der Mann, den McMahon durch ebenjene Fehde in neue Sphären gepusht wird, als genau so ein Fall gesehen werden kann: Vince McMahon sieht den beim WWE-Anhang nicht ganz unumstrittenen Bobby Lashley als neuen Superstar an – und er tut nun alles, dass sich die Fans dieser Einschätzung anschließen.

Doch die Pointe an dieser Geschichte ist: Es scheint zu funktionieren. Von Woche zu Woche werden die Jubelrufe für den ECW World Champion lauter – und Vince darf sich bestätigt fühlen in seiner Wertschätzung für den sanften Riesen. Das Vertrauen des WWE-Chefs in Lashley ist jedenfalls immens. Angeblich hat Vince seinen Kreativen aufgetragen, Lashleys Status künftig ebenso zu schützen wie den seines Goldesels John Cena. Und aus Sicht mancher ist der einzige übrig gebliebene Daseinszweck des ECW-Rosters, seinen Champion Lashley gut aussehen zu lassen. Gute Voraussetzungen für Lashley vor Wrestlemania und dem bislang größten Match seiner Karriere gegen Umaga.

Wer aber ist der Mann, den die WWE nun als neues Zugpferd auserkoren hat? Die Antwort lautet: Gute Frage. Denn abgesehen von seinen sportlichen Meriten lässt die WWE kaum Details aus Lashleys Leben außerhalb der WWE ans Tageslicht gelangen. Und die dürften die Fans des Kraftpakets aus Colorado Springs mittlerweile auswendig kennen: Star-Ringer am Missouri Valley College, dreimaliger nationaler Meister zwischen 1996 und 1998, NAIA Champion 1997 und 1998, zweimaliger Armeemeister und 2002 Silbermedaillengewinner bei der Weltmeisterschaft der Armeeringer. Nur tröpfchenweise sickern mal andere Informationen aus seinem Privatleben durch, etwa, dass er Vater einer kleinen Tochter ist.

Draufhauen statt Reden Schwingen

Auch aus Lashleys Interviews wird man nicht recht schlau. Was er dort so von sich gibt, klingt so als würde er Karteikarten eines unkreativen PR-Beraters ablesen: „Gebe 100 Prozent in allem was ich tue“, „war schon immer mein Traum, WWE-Superstar zu werden“, „im Ring zu stehen ist eine unglaubliche Erfahrung“ – Hans-Olaf Scholz wäre stolz auf den Lash-o-Mat. Aber die WWE hat ihn ja auch nicht eingestellt, um spannende Anekdoten aus dem Nähkästchen auszuplaudern, sondern um draufzuhauen – und das kann er auch um einiges besser.

Lashley, der von Kurt Angle fürs Wrestling entdeckt wurde, unterschrieb 2003 einen Development-Vertrag in Stamford und debütierte nach etwa einem Jahr Training in der Farmliga Ohio Valley Wrestling. Blaster Lashley, wie er dort zunächst hieß, bekam die Rolle eines Super-Heels, der jungen Wrestler 100 Dollar für jede Minute bot, die sie mit ihm im Ring aushielten – um sie dann nach allen Regeln der Kunst auseinander zu nehmen.

Im Sommer 2005 debütierte er dann las Babyface bei SmackDown! und wurde aufgrund seiner beeindruckenden Erscheinung und seines Ringerhintergrunds schnell als „schwarzer Brock Lesnar“ gehandelt. Genauso schnell meldeten sich jedoch Kritiker zu Wort, die merkten, dass Lashley von seinem Können im Ring her noch längst nicht so weit war wie das große Vorbild. So erklärte etwa Batista in einem Interview offen, dass es die WWE mit der zu frühen Berufung verpatzt hätte, aus Lashley etwas ähnlich Großes zu machen. Ein anderes Hindernis für Lashley war und ist sein Promo-Problem: Das Image als „Hard Hitting – Soft Spoken“ ist eine notdürftige Kaschierung der Tatsache, dass Lashley am Mikro bei weitem nicht die Power hat, die man von einem Mann in seiner Position erwarten müsste.

Blutleere Eintagsfliege? Oder doch „Next Big Thing“?

Doch trotz Lashleys Mängel am Mikro und im Ring legte in der eine geradlinige Karriere hin: Squashs durch die gesamte Undercard, Gewinn des US Title, Wechsel zur ECW, dort schneller Gewinn des World Title und nun die herausragende Rolle bei Wrestlemania. Abgesehen von einer Mini-Krise im Herbst 2006, als bei SmackDown! sein Pay Per View Main Event gegen King Booker abgeblasen wurde und er sich einige Wochen mit Tatanka herumschlagen musste, lief alles glatt für Lashley in der WWE. So glatt, dass es manchen Fans schon per se ein Gräuel ist.

Lashley wirkt auf viele wie ein blutleerer Grünling, der nie einen Indy-Ring von innen gesehen hat und einzig und allein von seinen Muskeln lebt. Und man kann auch nicht verhehlen, dass die WWE gerade jetzt im Zuge der neuen Steroidanschuldigungen ein Risiko mit Lashleys Push eingeht: Lashley hat seit seiner Uni-Zeit ganze 40 Kilogramm an Muskelmasse zugelegt. Dass er das allein durch Situps und Proteinshakes geschafft hat, ist nicht anzunehmen. Er hat seinerzeit schon seinen US Title verloren, weil er bei einem Medizincheck stark erhöhte Leberenzymwerte aufwies – ein mögliches Symptom für die Einnahme gewisser Mittelchen.

Doch trotz aller berechtigter Bedenken wissen die WWE-Verantwortlichen, warum sie an Lashley festhalten. Denn auch wenn Lashleys Werdegang wirkt wie am Reißbrett entworfen - auch Reißbrett-Schöpfungen überstehen gelegentlich den Praxistest. Lashleys Explosivitätund seine Suggestion roher Kraft ist dazu prädestiniert, die Fans mitzureißen und den Zapper bei der WWE hängen bleiben zu lassen – das erkennt jeder, der sich mit dem Naturell des Mainstream-Wrestling ein wenig auseinander setzt. Aber einer wie Lashley schwebt auch in akuter Gefahr, als jemand in die Geschichte einzugehen, die überpusht wurde, ohne dafür bereit gewesen zu sein.

Eintagsfliege also oder doch „Next Big Thing“? Wohin Lashleys Weg letztlich führen wird, ist momentan noch nicht abzusehen. Die Reaktionen bei Wrestlemania könnten aber vielleicht eine Antwort geben, ob die WWE mit ihm den richtigen Pfad eingeschlagen hat.
Number of comments: 0
Your Options:
    Other: