DeutschEnglish
Not logged in or registered. | Log In | Register | Password lost?

The Big Show: Der Hüne vor dem letzten Vorhang

Personalie

Article information
Published on:
07.12.2006, 00:00 
Category:
Author(s):
Als Big Show 1995 seine Karriere begann, wurde er von der WCW als Sohn des legendären Andre The Giant ausgegeben. Nicht nur deshalb ist der 2,13 Meter große Hüne oft mit dem „achten Weltwunder“ verglichen worden. In der Regel ist das ein Kompliment, aber die jüngsten Vergleiche waren eher ein Alarmsignal. Denn mehr und mehr fühlte man sich bei seinem Anblick zuletzt an Andre kurz vor seinem Karriere-Ende erinnert: Schwerfällig, ausgepumpt und alles andere als gesund aussehend. Es ist daher nicht überraschend, dass der Riese nun die Notbremse zieht und sich vielleicht für immer aus dem Wrestlinggeschäft zurückzieht.

Die riesenhafte Statur Big Shows ist die Folge derselben Krankheit, an der auch Andre litt: Seine Hypophyse schüttet seit dem Kindesalter eine überdurchschnittliche Anzahl an Wachstumshormonen aus, die ihn und bestimmte Körperteile wie Hände, Füße, Kinn und Nase übergroß werden ließen. Mit sechs Jahren maß Big Show 1,50 Meter, mit zwölf bereits 1,83 Meter - und wurde nach eigenen Angaben verhaftet, als er einmal ein gleichaltriges Mädchen küsste, weil die Polizei ihn für erwachsen hielt. Ein Jahr später war er schon fast zwei Meter lang und konnte mühelos einen Basketball-Dunk vollführen.

Nur logisch, dass Big Show unter diesen Voraussetzungen, alles daran setzte, eine Karriere als Korbjäger zu verfolgen - auch deshalb, weil der Sport für den Arbeitersohn die Eintrittskarte zu einem Universitätsstudium wurde. Big Show spielte in mehreren High Schools und Colleges, ehe sein Traum von einer NBA-Karriere zerplatzte, als er chronische Probleme mit seinem Ischiasnerv bekam. Er musste seine übergroßen Schuhe an den Nagel hängen, verlor sein Stipendium und war gezwungen, sein Studium abbrechen.

Danny Partidge als Karrierehelfer

Big Show schlug sich fortan mit einer Reihe von Gelegenheitsjobs durchs Leben. Er wurde Türsteher, Chemikalienhändler, Kautionsagent - jemand, der gegen Gebühr die Kaution für ärmere Häftlinge stellt - und auch Gebrauchtwagenhändler mit dem Spitznamen „Tall Paul“. Ein weiterer Gelegenheitsjob als Telefonist eines Vertriebs für Karaokemaschinen ebnete Big Show über Umwege den Weg ins Wrestlinggeschäft. Er traf dabei auf den Schauspieler Danny Bonaduce („The Partridge Family“), der ihn Anfang 1995 zu einem Prominenten-Basketballspiel einlud - bei dem auch ein gewisser Hulk Hogan und dessen Manager Jimmy Hart zugegen waren.

Hogan sah einen potenziellen Star in den Hünen und lud ihn hinter die Kulissen einer WCW-Show ein. Eric Bischoff versprach ihm einen Rückruf, der nie kam, doch durch einen Zufall nahm man ihn dann doch unter Vertrag: Als Big Show in Orlando Urlaub machte, während die WWF dort eine Show veranstaltete, glaubte Jimmy Hart, dass er mit der Liga verhandeln würde und organisierte ein weiteren Termin mit Bischoff, damit er ihnen nicht durch die Lappen ging. Kurz darauf hatte Big Show seinen Deal in der Tasche.

Beim Training in der Talentschmiede Power Plant verblüffte Big Show seine Trainer durch außergewöhnliche Agilität: Er beherrschte mehrere Aktionen vom Seil und sogar einen Moonsault. Als Hogan dies mitbekam, riet er Big Show davon ab, so etwas vor Publikum zu zeigen und schlug ihm vor, einen bodenständigeren, aus seiner Sicht effektiveren Stil zu fahren. Hogan lud ihn sogar in sein Haus in Florida ein, um ihm seine Philosophie des Wrestling näher zu bringen.

Blitzkarriere unter Hogans Fittichen

Als ihn die WCW-Oberen dann für reif hielten, legte Big Show eine Blitzkarriere hin. Als „The Giant“ wurde er ohne Umschweife zum Top-Herausforderer Hogans aufgebaut. Der Giant dürstete in einer umstrittenen Storyline nach Rache sich für die Demütigungen, die Hogan seinem Storyline-Vater bereitete. Gleich in seinem ersten Match beim Halloween Havoc 1995 traf er auf den Hulkster und besiegte ihn, weil Jimmy Hart sich gegen Hogan wandte.

Der Giant war keine 25 Jahre alt, keine 12 Monate im Geschäft und schon ganz oben dabei - nur logisch, dass das manchen zu schnell ging. Kollegen moserten über den schnellen Aufstieg des Hünen und über seine Nähe zu seinem Mentor Hogan, mit dem er ständigen Kontakt pflegte. Viele warfen ihm vor, ein Ego-Problem zu haben. Die ständigen Backstage-Querelen waren ein Grund, warum Big Show der WCW nach drei erfolgreichen Jahren den Rücken kehrte und bei der WWF anheuerte. Big Show war in den Monday Night Wars der erste Topstar der WCW, den es nach Stamford zog - und er wurde fürstlich dafür entlohnt. Er unterschrieb einen über zehn Millionen Dollar schweren Zehn-Jahres-Vertrag, ein Deal, von dem die heutigen Angestellten der WWE nur träumen dürfen.

Big Shows WWE-Karriere umschreibt man am besten mit dem Wort „wechselhaft“, denn die natürliche Rolle als unzerstörbarer Titan konnte er nicht immer spielen. Nur zweimal in acht Jahren konnte sich Big Show für ein paar Monate den WWE Heavyweight Title umschnallen. Seine erste Regentschaft wurde überdies durch eine unappetitliche Fehde mit dem inzwischen verstorbenen Big Bossman ruiniert, in der sich der Bossman über den angeblichen Krebstod von Big Shows Vater lustig machte - in Wahrheit war Big Shows Vater schon Jahre zuvor verstorben. Dazwischen gab es immer wieder Phasen, in denen der Riese im Midcard-Nirvana verschwand, sich für schmächtigere Wrestler hinlegen musste und bedeutungslose Tag Teams mit Billy Gunn und Spike Dudley formte.

Geplagt von Verletzungen und Gewichtsproblemen

Ein Grund, warum Big Show der endgültige Push verwehrt blieb, dürften seine Gewichtsprobleme gewesen sein. Nach einer Knieoperation früh in seiner WWE-Karriere legte Big Show fast 30 Kilogramm zu und ihm wurde vorgeworfen, nicht genug dafür zu tun, sie wieder abzutrainieren. Der Ärger ging so weit, dass Big Show im Jahr 2000 kurz vor der Entlassung stand, stattdessen wurde er dann für mehrere Monate in die Farmliga Ohio Valley Wrestling zwangsversetzt, um sich in Form zu bringen. Los wurde Big Show seine Gewichtsprobleme nicht, vielmehr kam Vince McMahon irgendwann zu dem Schluss, dass es ihm mehr Geld bringt, einen übergewichtigen Big Show einzusetzen als ihn für dafür zu bezahlen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit an seiner Figur zu arbeiten.

Zuletzt sind Big Shows Probleme völlig außer Kontrolle geraten. Mittlerweile bringt er 230 Kilogramm auf die Waage und leidet dazu unter chronischen Rückenproblemen, die seinen Job zu einer einzigen Tortur machten. Noch jetzt werfen Kollegen Big Show vor, dass er einfach zu faul sei - ob sie beurteilen können, wie es ist, als Riese sein Idealgewicht zu halten, ist die andere Frage. Mangelnden Einsatz für seinen Arbeitgeber konnte man ihm zuletzt jedenfalls nicht vorwerfen. Mehr als einmal verschleppte Big Show Verletzungen, um die Lige nicht im Stich zu lassen - zuletzt als mitten in der Aufbauphase des Projekts ECW-Reunion Kurt Angle verloren ging und Rob Van Dam in Ungnade fiel. Big Show gab der Wehwehchen zum Trotz noch einmal sein Letztes, um den neuen Brand zum Laufen zu bekommen - obwohl zuletzt selbst für die unachtsamen Zuschauer klar ersichtlich wurde, wie gehandicapt Big Show in seine Matches ging.

Mit Big Show verliert die WWE eines der letzten Aushängeschilder der Attitude-Ära - auch wenn er in den Geschichtsbüchern ein paar Seiten hinter Andre landen wird. Dabei war Big Show dem „Gentle Giant“ in einigen Punkten durchaus ebenbürtig - in Sachen Unterhaltungstalent vielleicht sogar überlegen. Sein Pech war eigentlich nur, dass er ein paar Jahre zu spät auf die Welt kam. In einer Zeit, in der das Wrestling schneller, athletischer und vor allem auch schnelllebiger ist, kann ein Riese nicht mehr dieselbe Wirkung entfalten, wie es zu Andres Zeiten noch möglich war.
Number of comments: 0
Your Options:
    Other: