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Nachgehakt #6: Die Mär vom großen Champion

Kolumne

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Published on:
13.02.2013, 19:25 
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"Eine Lüge, die oft genug erzählt wird, wird irgendwann zur Wahrheit."


Passender, als mit diesem Zitat, das gemeinhin dem großen Lenin zugeschrieben wird, lässt sich die Rezeption der jüngsten Titelregentschaft des CM Punk wohl kaum beschreiben. Durch das gebetsmühlenartige Herunterbeten der Dauer seiner Regentschaft ist es CM Punk tatsächlich gelungen, eine öffentliche Wahrnehmung seiner Leistung zu schaffen, die mit der Realität wenig zu tun hat. Ja, CM Punk hat den Titel für 434 Tage gehalten. Aber waren diese 434 Tage wirklich so bahnbrechend und revolutionär, wie er es uns heute glauben machen will?

Um die Regentschaft richtig beurteilen zu können, lohnt es sich erneut einen Blick auf den Moment zu werfen, in dem Punk den Grundstein für seinen jetzigen Status innerhalb von World Wrestling Entertainment legte. Die Rede ist natürlich von der berühmt-berüchtigten Promo, die den "Summer of Punk" einleitete. Es war ein kurzer Sommer, denn nach zwei Erfolgen gegen John Cena musste Punk den Titel damals schon wieder an Alberto Del Rio abgeben, nur um sich danach auch noch Triple H geschlagen zu geben. Trotz des im amerikanischen Sportjournalismus immer wieder beschworenem Momentums fehlte es Punk an der nötigen Rückendeckung, um schon zu diesem Zeitpunkt richtig durchzustarten.

Die nächste Chance ließ jedoch nicht lange auf sich warten, denn schon im November entthronte Punk seinerseits Alberto Del Rio. Ein Match, das übrigens nicht im Main Event der Survivor Series stattfand, sondern hinter dem lieblos zusammengewürfelten Team von John Cena und The Rock nur die zweite Geige spielen durfte. Ohne es zu diesem Zeitpunkt bereits ahnen zu können, gab die Survivor Series CM Punk somit einen Vorgeschmack darauf, was ihn über weite Strecken seiner Regentschaft erwarten sollte.

Nachdem er in Cenas Abwesenheit beim letzten PPV des Jahres 2011 tatsächlich einmal den Main Event bestreiten durfte, rückte CM Punk in den folgenden acht Monaten wieder ins zweite Glied. Punk war zwar Champion und lieferte gegen Chris Jericho und Daniel Bryan auch starke Matches ab, doch der Mann im Scheinwerferlicht war weiterhin John Cena. Dieser hatte mit The Rock und Brock Lesnar hochkarätige Gegner, doch selbst als er sich mit John Laurinaitis bekriegte, schaffte es der Champion CM Punk nicht sich aufzudrängen und den Platz als Top-Babyface für sich zu beanspruchen.

Bei der tausendsten Ausgabe von RAW folgte dann ein nicht nur für Punk selbst, sondern auch für seine Zeit als Champion richtungsweisender Moment. Mit einer Attacke gegen The Rock wechselte CM Punk die Seiten und wurde vom Babyface #2 zum Top-Heel der Liga, was aber auch gleichzeitig bedeutete, dass seine Regentschaft als Champion spätestens in dem Moment enden würde, in dem er auf The Rock träfe. Es stellte sich nun eigentlich nur die Frage, ob die WWE-Verantwortlichen die nötige Geduld hätten, diesen Plan auch durchzuziehen.

Und es sah tatsächlich danach aus, denn selbst John Cena schaffte es nicht, Punk den Titel abzunehmen. Auch die Siegesseries des bis dato ungeschlagene Ryback, der auf Grund einer Verletzung Cenas wie die Jungfrau zum Kinde zum einem Titelmatch beim Hell In A Cell-PPV kam, wurde dem größeren Gut geopfert. In diesem Match, das Punks erster PPV-Main Event ohne Cena seit zehn Monaten war, hätte der Titel wohl auch den Besitzer gewechselt, wäre Punk nicht als designierter Gegner The Rocks auserwählt gewesen.

Ungefähr hier fing Punk dann auch an, von der Dauer seiner Regentschaft zu erzählen. Woche für Woche summierten sich die Tage zu einer auf dem Papier immer beeindruckender werdenden Zahl. Mit jedem großen Superstar, den er auf der Liste der längsten Regentschaften hinter sich ließ, hatte Punk mehr Munition, um einen Mythos zu spinnen, der eine wie beschrieben eher unbeeindruckende Zeit als Champion wie eine unmenschliche Leistung erscheinen ließ. Aber nicht die vielen Monate als zweite Geige oder die Zeit als Platzhalter für The Rock waren es, die Punks wahre Leistung ausmachen.

Das wirklich beeindruckende ist doch CM Punks Fähigkeit, den Fans diese wirklich nicht sonderlich beeindruckende Regentschaft als etwas Revolutionäres zu verkaufen. Der Stolz und die Überzeugung, mit der Punk und auch Paul Heyman wieder und wieder die Tage zählten, wirkten auf die Fans ansteckend. Statt eines John Cena, der seine Titelgewinne und -verluste zumeist lediglich mit einem müden Witzchen zu würdigen weiß, vermittelte Punk den Zuschauer den Eindruck, er erlebe etwas wirklich besonderes.

Die Reaktionen nach dem Titelverlust Punks an The Rock sind ein deutlicher Indikator für die Richtigkeit dieser These. The Rock, der noch im vergangenen Jahr quasi rückhaltlos unterstützt wurde als sein Gegner John Cena hieß, musste nach seinem Sieg über Punk wahre Hasstiraden von Teilen der Internet Wrestling Community über sich ergehen lassen. Natürlich handelt es sich dabei um eine lautstarke Minderheit, doch es zeigt, dass CM Punk eben genau deren Nerv getroffen hat. Durch seine Überzeugungskraft hat Punk eben gerade die Fangruppierung zu seinen Gunsten manipuliert, der man eigentlich am ehesten zutrauen sollte, die Wirkweise seines Tuns zu durchschauen. Aber statt sich die eigentliche Titelregentschaft vor Augen zu halten, schafft es Punk ihren Fokus einzig auf die Zahl 434 zu fixieren und so über alle Mängel hinwegzutäuschen.

Und genau so wird aus einer Lüge die Wahrheit.