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Honorable View #48: Boiling Point 2012, eine kleine Überraschung

Kolumne

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Published on:
12.08.2012, 19:08 
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Herzlich Willkommen zur 48. Ausgabe des "Honorable View", der Ring Of Honor-Kolumne exklusiv auf Cagematch.de!

Erst einmal ein wenig Erklärung von mir: Vielleicht habt ihr es schon irgendwie mitbekommen, aber ich habe mich von der aktiven Berichterstattung zurückgezogen. Das hat zweierlei Gründe: Zum einen hab ich mich in den letzten Monaten einfach mit Aufgaben zugeladen, sodass ich teilweise meinen Terminkalender an CAGEMATCH angepasst habe, zum anderen habe ich mit ROH immer automatisch "Arbeit" verbunden und damit auch ein wenig Spaß verloren. Nun will ich das ein wenig umändern und werde deswegen den Posten als residenter "ROHboter" neu ausschreiben. Sollte sich schon irgendwer angesprochen fühlen, könnt ihr ja die nächsten Tage einfach mal die Augen offen halten.

Stattdessen werde ich mich in Zukunft eher auf die Podcasts konzentrieren. Außerdem werde ich diese Kolumne vielleicht ein wenig öfter bringen, da ich hier doch eher kreativ schreibe und alles frei von der Leber weg kommentiere. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Nun wünsche ich euch aber erst einmal viel Spaß bei der neuen Ausgabe vom Honorable View!


"Schon wieder ein PPV?"

Dieser Gedanke ist nicht nur mir in den Sinn gekommen, als man Kevin Steen vs. Eddie Kingston für Boiling Point 2012 angekündigt hat. Kaum war diese Matchansetzung bekannt, wurde auch direkt gesagt, dass man eine weitere Großveranstaltung auf dem Terminkalender hat. Ein weiteres Mal lange Aufbleiben. Ein weiteres Mal 15 Dollar. Für mich ist das jetzt nicht so das große Problem, da ich immer noch ein großer ROH-Fan bin und es für mich auch die erste Großveranstaltung werden sollte, die ich einfach mal so genießen kann. Aber wie sieht es aus mit dem Gelegenheitsfan? Derjenige, der sich noch nicht sicher ist, ob er ROH wirklich eine Chance geben soll? Derjenige, der noch die ganzen fehlerhaften Liveübertragungen der vergangenen Monate im Kopf hat? ROH hätte schon spontan eine große Card aufstellen müssen, um Skeptiker wirklich zum Kauf bewegen zu können.

Eine Sache muss man bedenken: Die Show selbst stand schon seit einigen Monaten fest. Es ist schon seit einem knappen halben Jahr bekannt, dass ROH in Providence, Rhode Island veranstalten wird. Allerdings gehe ich davon aus, dass damals noch niemand wusste, dass diese Veranstaltung live via IPPV ausgestrahlt wird. Dafür spricht nicht nur die recht spontane Ankündigung der Liveausstrahlung, sondern auch der bereits angedeutete Aufbau für den darauffolgenden PPV Death Before Dishonor X im September, sowie der generell fehlende Aufbau eines Zwischenschritts. Ein traditioneller Monats-PPV, wie man es von den großen Mainstreamligen kennt, sollte dies hier definitiv nicht werden. Eher eine Houseshow, die man überspringen kann, allerdings dennoch genug Unterhaltung bietet, um drei Stunden am Ball zu bleiben.

Und genau das ist das Modell, das ROH anstrebt: Große PPVs sollen lange beworben und aufgebaut werden, während die regulären Houseshows mit der Zeit immer öfter als IPPV ausgestrahlt werden. Es gibt immer noch Houseshows, die Monate später als DVD veröffentlicht werden und gute Matches bieten, aber das DVD-Geschäft ist (wie viele andere Businesszweige in der Wirtschaft) rückläufig, warum also nicht einfach diese Shows live anbieten und einen Tag später on Demand? Und genau DIESER Schritt wird von vielen Fans, Internetexperten und sonstigen Skeptikern nicht verstanden: Nicht jede einzelne Show kann Final Battle sein. Es gibt genug Aufbau, um Titelmatches oder gewisse Aufeinandertreffen zu rechtfertigen, aber zusätzlich finden auch kleinere Matches mit Beteiligung von lokalen Talenten statt, eben WEIL nicht jedes Match hochkalibrig sein muss. Bloß weil es jetzt beinahe monatlich PPVs gibt, ist nicht jede Show gleichwertig. Bei ROH gibt es große PPVs und Houseshows, die jetzt halt nicht mehr auf DVD veröffentlicht werden, sondern über IPPV live angesehen werden können. Und wenn man mit dieser Einstellung an die Show rangeht, dann sieht man die Card auch mit ganz anderen Augen.


Überraschung!

Wenn man nun also diese "modifizierte" Einstellung und damit auch nicht so hohe Erwartungen hat, dann geht man auch viel offener an das Gesamtprodukt ran. Ich muss zugeben: Ich selbst habe etliche Male gesagt, dass mich die Show nicht wirklich interessiert und dass die Matches alles andere als appetitanregend sind. Niedrige Erwartungen bedeuten aber gleichzeitig immer, dass man leichter überrascht werden kann und dass man gewissen Leuten vielleicht eine Chance gibt, die sie an anderer Stelle eventuell nicht bekommen hätten. Außerdem muss ich persönlich sagen, dass ich mich nicht mehr auf einzelne Matches konzentriert habe, sondern dass ich einfach nur drei Stunden Unterhaltung haben wollte. Und wer den PPV gesehen hat, wird bestätigen können, dass es zwar keine absoluten Highlights und irgendwelche Klassiker gab, aber dass die drei Stunden definitiv nicht verschwendet waren und ROH weiterhin konstante Qualität zeigt.

Positiv hervorzuheben sind hier speziell zwei Matches: Das Erste wäre das Eröffnungsmatch zwischen Roderick Strong und Mike Mondo. Mondo ist ja derzeit wirklich ein zweischneidiges Schwert. Natürlich ist er kein typischer ROH-Worker wie Eddie Edwards, Roderick Strong oder sogar Jay Lethal, trotzdem hat er seine Nische gefunden und ist besonders in der Du Burns Arena sehr beliebt. Ich persönliche habe mich nicht viel erwartet, allerdings haben mich die beiden dann doch überrascht, was allerdings auch zu großen Teilen an der Klasse von Strong liegt. Die beiden haben ein (an manchen Stellen ungewollt) hartes und intensives Match geliefert, was von vielen Fans nicht zu Unrecht als "bester IPPV-Opener" betitelt wird. Das war ein fantastischer Start in die Veranstaltung und einmal mehr beweist mir Mondo, dass er ein fähiger Worker ist, der auch zu guten Matches gezogen werden kann und eine einzigartige Persönlichkeit besitzt. Gebt dem Kerl eine Chance, auch Mike Bennett war am Anfang extrem verschrien.

Das andere sehr Match, was mich dann doch positiv überrascht hat, war das Mixed Tag Team Match zwischen Eddie Edwards, Sara Del Rey, Mike Bennett und Maria Kanellis. Versteht mich nicht falsch: Ich habe mir schon erwartet, dass es trotz der Teilnahme von Maria richtig gebookt werden würde (also mit möglichst wenig Aktivität von Maria) und unterhaltsam wird, aber dann wurde es doch ein richtig gutes Match, definitiv eines der drei besten des Abends. Die Rivalität zwischen Bennett und Edwards wurde einmal mehr in den Mittelpunkt gerückt, während Maria mehrere Male hinterrücks eingreifen konnte, nur um dann rasant vor Sara Del Rey zu flüchten. Diese war übrigens der heimliche Star des Matches, denn sie konnte nicht nur effektiv gegen Maria vorgehen, sondern auch Bennett den ein oder anderen harten Kick verpassen. Zu Recht hat sie deswegen nach dem Match auch laute "Thank You Sara"-Chants bekommen.

Wie erwartet war das dramatische Highlight dann das große Aufeinandertreffen von ROH World Champion Kevin Steen und CHIKARA Grand Champion Eddie Kingston. Das Match wurde bereits als "Battle Of The Brawler" beworben, die spontane Ergänzung der "Anything Goes"-Stipulation war dann nur logisch und hat letztendlich geholfen, die beiden Bestien komplett zu entfesseln. Wer hier technische Finesse erwartet hat, dem ist nicht mehr zu helfen, denn hier gab es eine astreine (Material-) Schlacht mit einem interessanten Verletzungsangle im Mittelteil. Kingston sollte dann aus der Halle getragen werden, doch als Steen den Namen vom zu früh verstorbenen Larry Sweeney in den Mund genommen hat, bekam Kingston zweite Luft und wollte Steen die Seele aus dem Leib prügeln. Es reichte allerdings nicht und Steen ist immer noch ROH World Champion.

Ansonsten gab es durchweg gute Unterhaltung und keinen groben Ausreißer nach unten. Tommaso Ciampa gegen Jay Lethal akzeptabel und damit besser als erwartet, Adam Cole gegen Bob Evans war sehr oldschoolig und damit ein wenig "speziell", aber immer noch kein Stinker und selbst der Random-Indy-Geek-Four-Way um einen ROH-Vertrag, den sich letztendlich mein persönlicher Favorit QT Marshall sichern konnte, war unterhaltsam, obwohl die vier ein wenig übereifrig waren und die ein oder andere Aktion in den Sand setzten. Der PPV hatte eine Intermission von knapp 25 Minuten und endete um 4.45, also eine sehr runde Veranstaltung, die nicht zu sehr überzogen wurde. Außerdem gab es keine technischen Fehler und der Stream selbst war glasklar. Von der technischen Seite aus gesehen also ein voller Erfolg.


Was bleibt?

Wie eingangs bereits erwähnt, war dies eigentlich nur eine Houseshow, die live übertragen wurde. Dementsprechend gab es auch nicht wirklich viele wegweisende Matches oder Angles: Wir wissen, dass die nächsten beiden Herausforderer auf den World Title Rhino und Michael Elgin sind. Außerdem wird die Entwicklung von Tommaso Ciampa noch ein wenig weitergehen und Kevin Steen hat ein weiteres Opfer auf seiner Liste. Das definiert die einzelnen Charaktere zwar und gibt jedem ein wenig Tiefe, wirklich essenziell sind diese Entwicklungen aber nicht. Das passt auch in das allgemeine Motiv der Veranstaltung: Für Hardcore-Fans ist es schönes Zusatzmaterial, der Gelegenheitsfan kann diese Veranstaltung aber getrost überspringen.

Der Rest bleibt abzuwarten. Wie viele Käufe bekommt die Show? War es wirklich notwendig, diese Show live zu übertragen? Wird man dank eigener PPV-Produktion ein Plus einfahren? Vermutlich kann man diese Show auch als Test werten, inwiefern ROH in Zukunft solche "C-PPVs" bringen kann und ob sie Geld in die Kassen spülen. Für mich als Fan, der auch an den kleinen Shows Gefallen findet, ist das natürlich eine willkommene Abwechslung.

Ein paar Worte möchte ich aber noch an die Kritiker von ROH richten: Bloß weil ROH nicht mehr so ist, wie noch vor ein paar Jahren, sollte man nicht sinnlos auf dem Produkt einhacken. Man bekommt immer noch wöchentlich eine sehr unterhaltsame und vor allem leichte TV-Show, man bekommt regelmäßig PPVs, die wrestlerisch immer noch stärker sind, als alle anderen Mainstream-Veranstaltungen. Natürlich gibt es keinen Daniel Bryan, keinen CM Punk, keinen Austin Aries. Aber dafür gibt es die Kevin Steens, die Eddie Edwards', die Mike Bennetts. Nostalgie ist ein zweischneidiges Schwert und man vergisst, dass es früher auch eine Menge Rotz gab. Wrestling verändert sich und ich bin froh, dass ich die Wrestlingligen mit neutralem Blick betrachten kann. Ich genieße einfach das Produkt und beschwere mich nicht über Kleinigkeiten. Natürlich ist ROH nicht annähernd perfekt, aber es macht verdammt nochmal viel Spaß. Und genau DAS soll Wrestling doch machen.


Und das war es auch schon wieder. Wie anfangs bereits erwähnt, wird es diese Kolumne jetzt eventuell ein bisschen öfter geben. Ich hoffe ihr hattet Spaß an meinem manchmal vielleicht recht strukturlosem Gebrabbel, aber wie immer kommt es direkt von Hirn und Herz. Bis zum nächsten Mal und bis dahin: STAY ROH~!

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