DeutschEnglish
Not logged in or registered. | Log In | Register | Password lost?

Eastern Lariat #8: Der Mikrokosmos Puroresu

Kolumne

Article information
Das Wort "Universum" ist im Wortschatz des Pro-Wrestling seit einigen Jahren klar besetzt. Ein jeder Fan denkt an das WWE Universe mit all seinen Satelliten wie RAW, SmackDown, NXT oder FCW. Seit dem Ende des Monday Night Rating Wars ist das amerikanische Wrestling eindeutig aufgestellt: Es gibt die eine große Promotion und die anderen. Anders konstituiert ist jedoch das Pro-Wrestling in Japan, wo es seit der Jahrtausendwende drei bis fünf mehr oder weniger große national agierende Promotions gibt, wobei die wahre Rangfolge deutlich schwerer zu fassen ist als es in den Vereinigten Staaten der Fall ist. Seit etwas mehr als über einem Jahr kommt es aber zusehends zur Annäherung zwischen den drei vermeintlich großen Ligen des Jahres: All Japan Pro Wrestling, New Japan Pro Wrestling und Pro Wrestling NOAH. Diese 3 Organisationen richteten gemeinsam in Folge der Tsunami- und Erdbeben-Katastrophe zwei Shows unter dem Banner "All Together" aus.

Als im April dieses Jahres bekannt wurde, dass All Japan und New Japan eine gemeinsame Show zum 40. Geburtstag der beiden Promotions veranstalten würden, spätestens aber seit Bekanntwerden des wohl ersten Leihgeschäfts im Wrestling-Geschäft – BUSHI ging als All Japan-Wrestler für ein Jahr zu New Japan – stellte sich die Frage, wohin diese Zusammenarbeit insbesondere von All Japan und New Japan noch führen sollte. Von Promotions wie Dramatic Dream Team, Dragon Gate oder Kaientai Dojo ist man ligenübergreifende Zusammenarbeit gewohnt, doch die Ankündigung der gemeinsamen Supershow in der Ryogoku Kokugikan und die Leihe von BUSHI schien eine neue Qualität der Kooperation einzuläuten. Seitdem die komplette Card für diese Show veröffentlicht wurde, sollte aber eines feststehen: Eine neue Qualität hat diese Kooperation nicht.

Für meine Begriffe darf man die Dichte der gemeinsam veranstalteten Shows nicht überbewerten, zumal die erste Ausgabe von All Together aus dem Bedürfnis erwuchs, ein gemeinsames Zeichen der Solidarität an die Gesellschaft zu senden und nicht zuletzt auch das Wrestling in den medialen Fokus zu rücken. Das hochemotionale Finale von All Together im August des letzten Jahres gepaart mit der Euphorie des Erfolgs sorgte anschließend für eine Neuauflage 2012. Seitdem hat man jedoch vom Projekt All Together nichts mehr gehört, sondern vielmehr von einer gemeinsamen Show von Zen Nihon und Shin Nihon. Hier eine neue Qualität der Kooperation herannahen zu sehen, halte ich nicht für angebracht. Zunächst einmal ist "Summer Night Festival In Ryogoku" nur eine Show, die – wie erwähnt – das vierzigjährige Bestehen der Ligen feiert.

Wenn man nun an die Card herantritt, wird dies sehr deutlich. Als diese veröffentlicht wurde, war die Enttäuschung bei einigen Fans hierzulande sehr groß, da hochgesteckte Hoffnungen in die Card, wie bereits bei All Together, nicht erfüllt wurden: es werde "zu wenig" aus den vorhandenen Möglichkeiten gemacht, vor allem gäbe es kein Aufeinandertreffen zwischen den beiden Aces der Ligen, Suwama und Hiroshi Tanahashi. Dies sind jedoch Kritikpunkte, die ich so nicht gelten lassen möchte, denn auch wenn die Beziehung zwischen All Japan und New Japan sich seit der Übernahme All Japans durch Keiji Muto zusehends gebessert hat, unterliegen diese beiden Promotions doch ganz eindeutig den Zwängen des Wrestling-Geschäfts. Ein direktes Aufeinandertreffen von Tanahashi und Suwama oder weitere mögliche Interpromotional Dream Tag Matches hätten diese gute Beziehung ganz schnell wieder torpedieren können. Es hätte sich die Frage gestellt, wer in dem Match der beiden Aces die Oberhand behalten sollte, womit gleichzeitig wieder die Frage, wer denn nun die dominierende Liga des Landes ist, in den Fokus gerückt wäre.

Ich habe die Card beim ersten Lesen auch nicht jubelnd zur Kenntnis genommen, dennoch muss man feststellen, dass so gut wie alles, was derzeit bei AJPW und NJPW Rang und Namen hat, Teil der Card ist. Plus Jun Akiyama von Pro Wrestling NOAH, der als amtierender Triple Crown Champion den Heavyweight-Titel von All Japan trägt. Die beiden Ligen konnten die immense Kraft der Namen somit ausnutzen, um eine Card zu präsentieren, die in der Undercard komödiantisches bis spektakuläres Multi Man Wrestling bieten dürfte und in der Mid Card ein All Asia Tag Team Title Match sowie die beiden Matches Tetsuya Naito & Tama Tonga vs. Seiya Sanada & Joe Doering und Suwama & Shuji Kondo vs. Shinsuke Nakamura & Kazuchika Okada drei interessante Paarungen aufbieten kann, bei denen man von einer weiß, wie gut sie sein kann, während die anderen beiden so noch niemals stattfanden. Darüber steht ein Six Man Tag Team Match, das bereits bei All Together I in ähnlicher Konstellation wunderbar funktioniert hat und das Publikum perfekt einband, sowie zwei Matches um die wichtigsten Titel der beiden Ligen. Wenn diese Matches auch nicht die attraktivsten Paarungen seien mögen, so bieten Singles Paarungen auf großer Bühne doch immer eine ganz besondere Atmosphäre.

Letztlich bin ich davon überzeugt, dass All Japan und New Japan trotz aller internationalen Skepsis eine Card auf die Beine gestellt haben, die den Anforderungen des Publikums in Japan genügen wird. In erster Linie geht es an diesem Tag auch nicht darum, einen Traumkampf nach dem anderen zu präsentieren, sondern vielmehr darum, die lange Koexistenz zweiter Promotions zu zelebrieren, die sich lange Jahre alles andere als grün waren. Letztlich wird die Konkurrenz zwischen All Japan und New Japan trotz allem Honig, die sich die Verantwortlichen um den Mund schmieren, immer eine Konkurrenz bleiben, die stets dafür sorgen wird, dass beide Ligen das bestmögliche aus ihrem Produkt herausholen müssen, wovon der gemeine Fan nur profitieren kann. Sollte es in absehbarer Zeit weitere Joint Performances von All Japan und New Japan geben, sollte man in meinen Augen auch dies nicht als schrittweise Aufkündigung der Konkurrenz sehen, sondern als Shows mit besonderer Atmosphäre und seltenen bzw. nie dagewesenen Matches.