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Jericho zeigt Flagge

Kolumne

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Published on:
25.05.2012, 23:01 
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Flag Matches sind so alt wie das Wrestling selbst. Zumindest gefühlt, denn tatsächlich wurde diese Matchart erst in den 80er Jahren zur Hochzeit des kalten Krieges erfunden – sagt zumindest diese seltsame CAGEMATCH-Datenbank. Falls jemand ein früheres Flag Match als Don Kernodle vs. Ivan Koloff vom ersten Weihnachtstag 1984 kennt, möge er sich bitte melden. Zurück zum Thema: Alles was Rang und Namen hat, hat seitdem ein Flag Match bestritten. Das Thema war oftmals USA gegen Russland, USA gegen Kanada, USA gegen den Mittleren Osten oder USA gegen Mexiko und so weiter und so fort.

Chris Jericho, seines Zeichens Teilzeitwrestler und Teilzeitmusiker, hat nun ein Flag Match der ganz besonderen Art beim ersten Gastspiel der WWE in Brasilien bestritten. Er legte sich mit der Flagge des fünftgrößten Staates der Erde an. Fun Fact: Brasilien ist sowohl flächen- als auch einwohnermäßig der fünftgrößte Staat der Welt. Jericho besiegte die Flagge eindeutig. Erst zerknüllte er sie, dann warf er sie auf den Boden, verpasste ihr einige Kicks und fuhr den Pin auf ihr stehend ein.

Natürlich ist es ein beliebter Trick im Repertoire eines alten Wrestlinghasens wie Jericho, dass man sich beim Publikum unbeliebt macht, indem man Einzelpersonen, die Stadt, den Staat, das Bundesland oder gleich das ganze Land beleidigt. Genau das hatte Jericho wohl auch im Sinn, als er die Fahne zu Boden warf und darauf rumtrampelte. Ähnliche Aktionen hatten ja in der Vergangenheit durchaus für die erwünschten Publikumsreaktionen gesorgt. Erinnert euch nur an Shawn Michaels, der sich mit einer kanadischen Fahne die Nase putzte.

Soweit so gut. Aber eben nebenbei auch ziemlich schlecht. In Brasilien ist das Schänden der Landesflagge, wie ich inzwischen gelernt habe, eine Ordnungswidrigkeit, die bei den Behörden gar nicht gut ankommt. Um das zu verstehen, muss man einen Blick in die Geschichte des Landes werfen. Erst seit 27 Jahren ist Brasilien eine Demokratie, es ist in seiner heutigen Form also ein sehr junges Land. Die Flagge, obwohl es sie schon seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt, stellt also für viele Einwohner ein durchaus wichtiges Freiheitssymbol dar.


Nichtsdestotrotz ist Jerichos Suspendierung durch seinen Arbeitgeber vollkommen richtig und die logische Konsequenz. Zwar gibt es nur wenige Berichte aus Sao Paulo, jedoch geht aus diesen hervor, dass Jericho nur knapp einer Verhaftung entgangen ist.

Höchstvermutlich wird kein WWE-Offizieller es Jericho wirklich übel nehmen, aber die Liga war aus mehreren Gründen zum Handeln gezwungen:
- Dies war ihre allererste Veranstaltung auf brasilianischem Boden. Einen schlechten Eindruck zu hinterlassen würde weitere Shows möglicherweise sehr schwierig machen. Erinnert euch, Brasilien ist das fünftgrößte Land der Welt, also durchaus ein Markt, den man gerne erobert.
- Um weitere Shows möglich zu machen, muss auch das Gesicht des lokalen Promoters gewahrt werden. Nur mit einem solchen sind Shows möglich, und die werden nur dann von den Behörden erlaubt, wenn er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen.
- UFC veranstaltet in Kürze einen PPV in Brasilien. Auch wenn die WWE es nicht wahrhaben will, ist die UFC doch der größte Konkurrent um die Gunst der Zuschauer. Alleine deswegen darf die Liga sich keinen größeren Skandal erlauben.

Durch die Suspendierung zeigt die WWE, dass sie die lokalen Gesetze und Normen achtet und hält sich die Tür für eine Rückkehr offen. Dass die Veranstaltung aufgrund eines Flugausfalls und einer daraus resultierenden Verschiebung um einen Tag unter keinem guten Stern stand, fließt hier noch nicht einmal in die Betrachtung ein. Da eine weitere Tour durch Brasilien angestrebt werden sollte, muss die WWE sich einfach alle Optionen offenhalten.

Und dazu gehört einfach auch die Suspendierung eines Top Stars.

Wie in unserer Meldung auch erwähnt, hat die WWE bei vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit nicht einheitlich entschieden. Finlay wurde zwar gefeuert, weil er es dem Miz bei einer Houseshow erlaubte die Nationalhymne der USA zu unterbrechen. Bradshaw hingegen wurde von der WWE gar nicht bestraft, als er in Deutschland den Hitlergruß zeigte und im Stechschritt durch den Ring marschierte. Genau jener, also JBL, hat sich inzwischen auch via Facebook dazu geäußert. Er führt an, dass es in Deutschland damals niemanden mehr wirklich interessiert habe, wenn jemand hitlergrüßend und stechschreitend durch den Ring wandert. Außerdem habe sein Freund Eddie Guerrero am nächsten Abend genau dasselbe gemacht.

Eddie war damals übrigens Champion – und nachdem er den Stechschritt zeigte gab es backstage, laut Layfield, durchaus Überlegungen ihn den Titel einen Tag später während der Europa Tournee verlieren zu lassen – an eben jenen Layfield. Wir alle wissen, dass es nicht so gekommen ist. Eddie behielt den Titel, JBL verlor lediglich seinen Vertrag als Experte mit einem US-Amerikanischen Börsensender und Gras wuchs innerhalb von 5 Tagen über die Sache. Die Aktion wurde damals in Deutschland übrigens gar nicht weiter beachtet – nur in den USA machte man sich Gedanken darüber, wie die Deutschen Fans darauf reagieren würden. Sie reagierten eigentlich gar nicht.

Genau wie die brasilianischen Fans. Sie buhten Jericho zwar aus, aber wirklich erbost waren sie nicht. Diese Tatsache mag auch dazu geführt haben, dass die Länge der Suspendierung während ich diesen Text schrieb von der WWE auf 30 Tage festgesetzt wurde.

Nun haben wir alle vier Wochen Pause von Jericho. Danach kann er kurz zurückkommen, für circa vier weitere Wochen. Dann geht er sowieso in den Sommerurlaub und tourt mit seiner Band Fozzy durch Europa. Erst im Herbst wird er zurück erwartet bei der WWE.

Und wenn ich ganz ehrlich bin: Jericho ist dieses Jahr sowieso langweilig. Seine ersten Auftritte waren zwar noch ganz nett, aber eigentlich gibt es von ihm nur Altbekanntes zu sehen. Die Frage ist nur: Was wird aus Randy Orton? Der hängt jetzt in der Luft. Naja, wirft man ihn einfach in das Match zwischen Sheamus und Alberto del Rio.